Zählstelle für Fahrradfahrer in der Erlanger Innenstadt
Bildrechte: BR/Michael Reiner

Fahrradstadt Erlangen: Die automatische Zählstelle in der Innenstadt erfasst, wie viele Radfahrer täglich unterwegs sind.

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Fahrradstadt Erlangen: Es läuft nicht mehr alles rund

Das Image von Erlangen als Fahrradstadt hat Kratzer bekommen. Die Kritik: Das Wegenetz entspricht nicht mehr dem aktuellen Standard – Regionalliga statt Champions-League quasi. Wie sehen das die Radler in Erlangen? Eine Bestandaufnahme.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Achtung Radfahrer! Exakt 3.437 Radler sind an diesem frühen Nachmittag bereits durch die Nürnberger Straße in der Erlanger Innenstadt gefahren. Im Sekundentakt steigt der Wert, den die automatische Zählstelle am Straßenrand ermittelt. Obwohl Nieselregen angesagt ist, sind viele Menschen mit dem Fahrrad unterwegs. Die Verkehrsplaner im Rathaus haben ermittelt: Im Sommer werden rund die Hälfte der Wege im Stadtgebiet mit dem Fahrrad zurückgelegt. "Ich finde es super, dass es überall Fahrradstraßen gibt", sagt ein junger Mann, der erst seit Kurzem in Erlangen wohnt und sein Rad am Hugenottenplatz abstellt. "Ich habe das Gefühl, dass Autofahrer in Erlangen ein bisschen mehr auf Fahrräder achten als anderswo", sagt ein Schüler, der gerade losfahren will.

Kritik am Zustand der Radwege

Die Erlanger scheinen also im Großen und Ganzen zufrieden mit dem Angebot. Allerdings: Wenn man genauer nachfragt, dann zeigt sich, dass durchaus Verbesserungsbedarf besteht. Eine Auswahl der Kritikpunkte: Die Radwege könnten besser gepflegt sein. Viele enden einfach so im Nirgendwo. Radwege seien zugeparkt und keiner mache etwas dagegen. An Baustellen gebe es keine vernünftigen Umleitungen für Radfahrer. Rund um den Bahnhof fehlten überdachte Stellplätze. Es gibt kein Fahrrad-Parkhaus. Bei der Verkehrsplanung dominiere immer noch das Auto. Im Winter würden Radwege unzureichend geräumt.

Erlangen erhält nur die Note befriedigend

Die kurze Umfrage zeigt: Das Image der Radlerstadt hat Kratzer bekommen. Beim jüngsten Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) hat Erlangen zwar den ersten Platz in der Kategorie Großstädte zwischen 100.000 und 200.000 Einwohner zurückerobert. Allerdings ist die Gesamtnote nur ein befriedigend, kritisiert Harald Bußmann, Vorstandsmitglied im ADFC Erlangen.

Die Schulnote von 3,2 ist für ihn nicht berauschend. "Es gibt das Sprichwort: Unter den Blinden ist der Einäugige König. Wir möchten nicht in der Bundesliga vorne spielen, wir möchten in der Champions-League vorne spielen", sagt Bußmann.

Champions League: Das sind für ihn Orte wie Kopenhagen, wie Oslo, wie viele Städte in den Niederlanden. Die norwegische Hauptstadt gebe beispielsweise mehr als 100 Euro pro Einwohner und Jahr für den Radverkehr aus. In Erlangen seien es gerade einmal 50 Euro, Tendenz fallend, kritisiert der Radfahrer-Funktionär.

Erlangens Erfolgsgeschichte beginnt in den Niederlanden

Erlangens Weg zur Fahrrad-Hauptstadt hat in den 1970er-Jahren begonnen. Der damalige Erlanger Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg (SPD) machte mit seiner Familie Urlaub auf der niederländischen Insel Texel. Dort erlebte er, dass das Fahrrad Vorfahrt hatte. Hahlweg macht das Radfahren zu seinem Thema, ließ ein Radverkehrskonzept erarbeiten und umsetzen. Damit begründete er den Ruf Erlangens als Radfahrer-Stadt. Anfang der 1990er-Jahre war Erlangen bundesweit eine Vorzeigestadt in Sachen Radverkehr. Doch inzwischen haben andere Städte aufgeholt.

Stadt arbeitet am Lückenschluss

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) freut sich zwar über das gute Abschneiden im Fahrradklimatest. Der Sozialdemokrat weiß aber auch, dass noch Luft nach oben ist. Die große Aufgabe sei es nun, Lücken zu schließen und das Radwegenetz auf den aktuellen Stand zu bringen. "Erlangen ist als absoluter Vorreiter in den 1970er- Jahren Fahrradstadt geworden", erklärt er. Deshalb seien die Radwege oft sehr schmal und "dem Bürgersteig abgeknapst". Die große Herausforderung sei es nun, eine moderne Radinfrastruktur mit den notwendigen Breiten der Wege anzulegen.

Stellplätze contra Radwege

Das gehe dann oft auch zu Lasten des Autoverkehrs. "Da müssen auch mal Stellplätze abgegeben werden, was nicht immer ohne Proteste geht", sagt er. Gute Erfahrungen habe die Stadt mit rot markierten Fahrradstreifen gemacht. "Die geben das Signal für alle Verkehrsteilnehmer: Vorsicht, auf dieser Straße bewegen sich nicht nur Autos, da sind auch Radfahrende unterwegs." Auch würden immer mehr Fahrradstraßen eingerichtet, auf denen Radler Vorrang haben.

Planung von Schnellwegen schwierig

Eine weitere Herausforderung ist es, über die Stadtgrenzen hinweg, leistungsfähige Schnellwege zu bauen, sagt Janik. Sie sollen das Radfahren vor allem auch für Pendler im Berufsverkehr noch attraktiver machen. Schließlich habe Erlangen genauso viele Arbeitsplätze wie Einwohner. Doch die Bürokratie bremst, sagt Janik. "Für einen Radschnellweg von Erlangen nach Herzogenaurach dauert die Planung, wenn wir gut sind, fünf Jahre. Der Bau selbst ist dann in eineinhalb, zwei Jahren fertig." Den Vorstoß des Radentscheids Bayern, die Planung für Radwege zu erleichtern, findet er gut. "Alle Belange zu berücksichtigen, die verschiedenen Klageverfahren, die da laufen können, da sind wir einfach zu langsam", klagt er.

Erlangen legt vor, aber München ist vorne

Der ADFC fragt sich jedoch, ob die Planungen für Radschnellwege im Großraum Nürnberg wirklich ambitioniert genug vorangetrieben werden, meint Verbandssprecher Bußmann. "Es ist zumindest auffällig, dass in Bayern Nürnberg und Erlangen als erste in dieser Richtung ein Konzept aufgebaut haben. München kam erst später. Aber die erste Stadt, wo es jetzt wirklich konkret umgesetzt wird, ist München." Der Fahrradklimatest hat den Kommunalpolitikern im Erlanger Rathaus in jedem Fall eine Menge Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben.

  • Zum Artikel: ADFC-Fahrradklima: Keine bayerische Stadt besser als Note 3

"Radfahrstadt Erlangen" ist am Mittwoch unter anderem ein Thema einer Live-Sendung der Regionalzeit auf Bayern 2 ab 13.30 Uhr. Live vom Erlanger Schlossplatz. Außerdem Themen: Das Figurentheater-Festival, Erlanger Vision Klimaneutralität bis 2030.

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