Ein Junge sitzt auf dem Flur in seiner Schule mit dem Rücken zur Wand und legt seinen Kopf zwischen seine Arme. Neben ihm liegt sein Schulranzen, Kinder laufen durch den Flur nach draußen.
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Immer mehr Schülerinnen und Schüler leiden unter psychischen Problemen.

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Depressionen und Ängste - Schulpsychologen schlagen Alarm

Psychische Probleme bei Schülern haben durch die Corona-Pandemie massiv zugenommen. Schulpsychologische Anlaufstellen können dem Beratungsbedarf aktuell kaum gerecht werden. Es fehlt an ausgebildeten Schulpsychologen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Depressionen, massive soziale Ängste, Essstörungen: Wenn sich Schüler oder ihre Eltern mit Problemen wie diesen an den Würzburger Schulpsychologen Ulf Cronenberg wenden, ist die psychische Belastung meist schon sehr groß. "Viele warten lange, bis sie endlich Hilfe suchen", erklärt er. Oft so lange, dass eigentlich schon eine Therapie notwendig wäre. Doch die Wartelisten in Kinder- und Jugendpsychiatrien sind lang. Bis eine Weitervermittlung möglich ist, liegt es an den Schulpsychologen, sich um betroffene Kinder und Jugendliche zu kümmern.

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Psychische Probleme bei Schülern: Bayernweit steigende Fallzahlen

Der Beratungsbedarf ist aktuell sehr hoch: Die Staatliche Schulberatungsstelle Unterfranken berichtet von einem drastischen Anstieg der Anfragen. Die Entwicklung zeige sich über alle Schularten hinweg, so Petra Meißner, Leiterin der Schulberatungsstelle. Die psychischen Probleme äußern sich häufig auch in Fehltagen und Schulvermeidung. Täglich gebe es Anfragen von Eltern.

Unterfranken ist dabei kein Einzelfall. Laut dem bayerischen Kultusministerium hat sich das Risiko von Kindern und Jugendlichen für psychische Gesundheitsprobleme bayernweit erhöht. Auch im schulischen Alltag zeichne sich dies durch einen verstärkten Beratungs- und Behandlungsbedarf ab.

Corona-Pandemie hat psychische Gesundheitsprobleme verstärkt

An den aktuell hohen Fallzahlen zeigen sich laut Kultusministerium Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die großen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hatte. Untersuchungen wie die COPSY-Studie belegen, dass psychische Gesundheitsprobleme wie Angst und Depression durch Corona zugenommen haben. Vor allem in bereits risikobehafteten Familien hat sich die Gefahr für eine psychische Erkrankung demnach verstärkt. Besonders gefährdet waren beispielsweise Kinder aus finanziell belasteten Familien, die auf engstem Raum leben, oder deren Eltern bereits psychisch erkrankt sind.

Die Situation habe sich bereits nach Beendigung der Schulschließungen angebahnt, so Schulpsychologe Cronenberg, doch erst jetzt zeige sich die Schwere der Situation in vollem Ausmaß. Gerade für Schüler mit Angststörungen sei der Schritt zurück in die Schule besonders schwer gewesen. Durch die Schulschließungen konnten sie soziale Situationen völlig vermeiden. Der Wechsel zurück in den Schulalltag sei für Betroffene besonders angstbehaftet.

Zu wenige Schulpsychologen für zu viele Schüler

Das Problem: Häufig gibt es kaum genug Schulpsychologen, um dem Beratungsbedarf der Schüler gerecht zu werden. Zwar wurden die Stunden für Schulpsychologen in den letzten fünf Jahren bereit stark erhöht, laut Petra Meißner fehlt es jedoch an ausgebildeten Lehrkräften, um diese zu besetzen. Derzeit gebe es an fast allen unterfränkischen Schulämtern Stunden, die nicht ausgefüllt werden können. Besonders dünn sei der Betreuungsschlüssel in beruflichen Schulen und Grundschulen. Ein einziger Schulpsychologe sei dort für bis zu 16.000 Schüler zuständig. Am besten wären die Gymnasien bestückt, doch auch dort müsse sich eine Lehrkraft mit psychologischer Zusatzausbildung um ein bis zwei Schulen kümmern.

Lange Wartezeiten: Überbrücken statt Therapieren

Hinzu kommt, dass eine Weitervermittlung an Kinder- und Jugendpsychiatrien oder Praxen derzeit nur schwer möglich ist. Die Wartelisten sind lang, bis ein Therapieplatz ergattert wird, kann es mehrere Monate dauern. Einige Praxen hätten sogar erstmals einen Aufnahmestopp verhängt, berichtet Schulpsychologe Cronenberg. In der Zwischenzeit liegt es an den schulischen Stellen, die Kinder und Jugendlichen zumindest zu stabilisieren.

Das Kultusministerium hat nun durch die Ankündigung einer Fortbildungsinitiative reagiert, durch die Schulpsychologen in Stabilisierungs- und Unterstützungstechniken geschult werden sollen. Langfristig brauche es aber strukturelle Veränderungen, so Cronenberg: "Wir haben eine Überbrückungsfunktion", sagt er, "aber bei einer deutlichen Störung ist das keine dauerhafte Lösung." Zudem werden die ohnehin knappen personellen Ressourcen dadurch über lange Zeiträume gebunden. Betroffene Schüler bräuchten regelmäßige Beratungen.

Studiengang Schulpsychologie: "Es fehlt an Studienplätzen"

Petra Meißner, Leiterin der Schulberatungsstelle Unterfranken, plädiert daher für eine Erweiterung der Studienplätze für Schulpsychologie. Der Studiengang muss zusätzlich zum Lehramtsstudium absolviert werden. Derzeit gibt es dafür nur drei Studienorte in Bayern: die LMU München, die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie die Universität Bamberg. Dort fehle es an Studienplätzen, so Petra Meißner. Zudem sei die Studienbelastung bei einem Parallelstudium sehr hoch. Um den personellen Notstand zu lösen, müsse dringend daran gearbeitet werden, den Studiengang, aber auch das Lehramtsstudium generell wieder attraktiver zu machen.

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