Grafik: Altersverteilung in der bayerischen Bevölkerung und unter den bayerischen Bundestagsabgeordneten.
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Spiegeln die bayerischen Bundestagsabgeordneten die bayerische Bevölkerung wieder?

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Bayern im Bundestag: Kein Spiegelbild der Gesellschaft

116 gewählte Abgeordnete aus Bayern warten auf die erste Sitzung des neuen Bundestags. Eine Datenanalyse zeigt, dass sie in vielen Bereichen aber kein Spiegelbild der bayerischen Bevölkerung sind.

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Träfe man jetzt nach der Bundestagswahl einen der frisch gewählten bayerischen Bundestagsabgeordneten zufällig auf der Straße, würde er sich als Stephan Wagner vorstellen. Er wäre 46 Jahre alt, wohnhaft in München und, wie der Name bereits erahnen lässt, männlich. Von Beruf wäre er Rechtsanwalt – hätte also einen Hochschulabschluss – und sowohl er als auch seine Eltern wären von Geburt an deutsche Staatsbürger.

Zumindest sind das die Merkmale, die bei den zukünftigen bayerischen Bundestagsabgeordneten am häufigsten vorkommen. Doch wie sieht es mit der Zusammensetzung der Gruppe aus? Sind die Gewählten genauso divers wie die gut 13 Millionen Menschen, die sie bald im Bundestag vertreten sollen?

Deutlich weniger Frauen unter den Abgeordneten

Die Bevölkerung Bayerns teilt sich zu nahezu gleichen Teilen in Männer und Frauen auf (siehe Hinweis zur Bevölkerungsstatistik unten im Artikel). Keiner der 116 vorläufigen Bundestagsabgeordneten gab die Geschlechtsidentität "divers" an. Damit sollte die Verteilung eigentlich klar sein, doch anders als in der Bevölkerung wird nicht jeder zweite, sondern nur jeder dritte bayerische Platz im Bundestag von einer Frau eingenommen.

Das könnte unter anderem daran liegen, dass viele Stimmen im Freistaat an die CSU gingen. Zwar startete die bayerische Unionspartei erstmals in ihrer Geschichte mit einer paritätisch besetzten Landesliste, diese kam aber erst gar nicht zum Zug. Alle 45 künftigen CSU-Abgeordneten wurden über Direktmandate gewählt – 35 davon sind Männer, 10 Frauen. Auf das gesamte neue Parlament betrachtet hat die CDU/CSU-Fraktion mit 23 Prozent den geringsten Frauenanteil nach der AfD (13 Prozent).

Mehr jüngere Abgeordnete als bei der letzten Bundestagswahl

Rund ein Viertel der volljährigen Menschen in Bayern ist unter 35 – unter den Bundestagsabgeordneten macht diese Altersgruppe nur 15 Prozent aus. Doch ihr Anteil steigt. Bei der letzten Bundestagswahl schafften es nur acht bayerische Abgeordnete unter 35 – magere 7 Prozent. Auch im Bundestag als Ganzes hat sich der Anteil der Unter-35-Jährigen fast verdoppelt: Von 8 Prozent in 2017 auf 15 Prozent in 2021.

Der jüngste Bayer im 20. Bundestag wird Niklas Wagner, 23, von den Grünen sein. Den ältesten Volksvertreter schickt die FDP mit dem 72-jährigen Thomas Sattelberger. In Sachen Social Media begegnen die beiden sich aber mindestens auf Augenhöhe: Sattelberger ist ein erfolgreicher TikToker mit mehr als 140.000 Followern. Die Auftritte der FDP auf der Kurzvideo-Plattform sind ein oft genannter Erklärungsansatz für ihre vielen Stimmen von jungen Wählern und Erstwählern.

Stadt-Land-Verhältnis stimmt

Wie die Hälfte der Menschen in Bayern leben auch gut 50 Prozent der neugewählten Abgeordneten in kleinen bis mittelgroßen Städten, mit nicht mehr als 100.000 Einwohnern. Ländliche Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern sind leicht unterrepräsentiert. 15 der insgesamt 116 zukünftigen Parlamentarier wohnen in München. Von den Vertretern aus der CSU kommt fast ein Drittel aus einer ländlichen Region – der höchste Anteil unter den Parteien. Die FDP dagegen hat die urbansten Abgeordneten: 8 von 14 wohnen in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern.

Fast nur Akademiker im Bundestag

Einer der deutlichsten Unterschiede zwischen dem Durchschnittsbayern und seinen Abgeordneten ist der berufliche Abschluss. Während in der Bevölkerung eine Ausbildung oder der direkte Berufseinstieg nach dem Schulabschluss weit verbreitet sind, absolviert man für den Bundestag wohl besser ein Hochschulstudium: Nur 18 der 116 bayerischen Gewählten haben keinen akademischen Abschluss.

Während gerade einmal ein Prozent der über-15-jährigen Bayern eine Promotion abgeschlossen hat, trägt jeder fünfte der baldigen Volksvertreter einen Doktortitel - bei den Abgeordneten der CSU sogar jeder Vierte. Am geringsten ist der Akademikeranteil bei den Grünen: Von den 18 Gewählten haben sechs keinen Hochschulabschluss. Zwei davon befinden sich aktuell noch im Studium, die anderen vier haben eine Ausbildung absolviert oder sind über andere Wege in ihr aktuelles Tätigkeitsfeld gekommen.

Der am häufigsten ausgeübte Beruf unter den künftigen bayerischen Parlamentariern ist Rechtsanwalt bzw. Jurist, dicht gefolgt von den Betriebswirten.

Kaum Abgeordnete mit Migrationshintergrund

Was auch direkt ins Auge springt: Kaum ein bayerischer Abgeordneter, der nicht in Deutschland geboren wurde. Auch wenn man die weiter gefasste Definition von Migrationshintergrund anwendet - man selbst oder mindestens ein Elternteil wurde nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren - ändert sich nicht viel. In Bayern trifft das auf 26 Prozent der Bevölkerung zu - unter den gewählten Volksvertretern gerade einmal auf 6 Prozent.

Anders gesagt: Aus Bayern kommen nur sieben Personen mit Migrationshintergrund in den neuen Bundestag. Sie verteilen sich fast gleichmäßig auf die Parteien: Jeweils einer bei CSU, FDP und AfD und jeweils zwei bei den Grünen und der Linken. Natürlich muss man bedenken, dass die CSU insgesamt 45 Abgeordnete schickt und die Linke nur vier.

Neu hinzugekommen gegenüber der Wahl 2017 sind Ates Nils Gürpinar von der Linken und Muhanad Al-Halak von der FDP. Letzterer ist fast das Gegenteil des zu Beginn vorgestellten, typischen Abgeordneten aus Bayern: Der heute 31-Jährige kam im Alter von elf Jahren mit seinen Eltern aus dem Irak nach Bayern. Er hat keinen akademischen Abschluss und ist Abwassermeister in der kleinen Stadt Grafenau (8.167 Einwohner).

Über die Daten

Ein großer Teil der Daten zu den Gewählten (Namen, Alter, Geschlecht, Wohnort etc.) stammt aus einer Veröffentlichung des Bundeswahlleiters. Es handelt sich dabei um vorläufige Informationen. Das endgültige Wahlergebnis liegt erst Ende Oktober vor, zudem können einzelne Kandidaten und Kandidatinnen noch entscheiden, ihr Mandat nicht anzutreten.

Die Daten zu Migrationshintergrund und akademischer Bildung wurden eigens recherchiert, Quellen dafür waren unter anderen eine Veröffentlichung des Mediendienst Integration und die Abgeordnetenprofile auf den Internetauftritten des Deutschen Bundestages und dem Portal abgeordnetenwatch.de. Die Einwohnerzahlen der Wohnorte stammen vom Statistischen Bundesamt (Stand: 31.12.2020).

Die Vergleichsdaten für die Bevölkerung Bayerns kommen aus den folgenden Quellen:

Altersstruktur (31.12.2020): Bayerisches Landesamt für Statistik und Statistisches Bundesamt

Grundlage ist die Bevölkerung Bayerns ab 18 Jahren.

Geschlechterverteilung (31.12.2020): Bayerisches Landesamt für Statistik und Statistisches Bundesamt

Hinweis: Der Geschlechtseintrag "divers" wird in der aktuellen Bevölkerungsstatistik noch nicht dargestellt. Laut Statistischem Bundesamt wird erst der Zensus 2021 eine dafür ausreichende Bestandsaufnahme der betroffenen Personen liefern. Dennoch gibt es in den Erhebungen der laufenden Bevölkerungsstatistik bereits die Möglichkeit, die Ausprägung “divers” zu wählen. Diese Fälle werden über ein Umschlüsselungsverfahren auf "männlich" und "weiblich" verteilt.

Bildungsabschluss (31.12.2019): Statistisches Bundesamt

Grundlage ist die Bevölkerung Bayerns ab 15 Jahren. Diese Auswahl und die Einteilung der Abschlüsse erfolgt nach den Vorgaben des Statistischen Bundesamtes.

Migrationshintergrund (31.12.2019): Statistisches Bundesamt

Verteilung der Bevölkerung nach Wohnortgröße (31.12.2020): Statistisches Bundesamt

Einteilung der Wohnorte nach den Vorgaben des Bundesinstituts für Bau,- Stadt- und Raumforschung.

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