Schlafplätze im Bettenlager
Bildrechte: DAV/Andreas Ruech

Sorgt für Frust: Wenn Schlafplätze im Bettenlager leer bleiben, weil die Gäste nicht abgesagt haben.

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Berg-Lust und Hütten-Frust: Wenn Gäste nicht absagen

"No-Show" heißt die Unsitte, sich für eine Übernachtung auf der Hütte anzumelden und dann nicht zu kommen – ohne Absage. Für die Hüttenwirtinnen und -wirte bedeutet das viel Frust. Dabei könnte es so einfach sein.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

An den Sommerwochenenden ist der Andrang auf die Berghütten groß. Oft sind die Schlafplätze in Zimmern und Lagern schon Wochen im Vorhinein ausgebucht. Trotzdem stand Hüttenwirtin Nora Rosche erst in der vergangenen Woche vor leeren Betten. Auf der Pforzheimer Hütte im Sellraintal waren fünfzehn eingebuchte Gäste nicht erschienen. Abgesagt hatten sie aber auch nicht.

Einerseits macht sich Rosche in solchen Fällen schon Gedanken, ob der Gruppe etwas zugestoßen sein könnte. Immerhin liegt die Pforzheimer Hütte auf 2.308 Metern, umgeben von einigen Dreitausendern. Andererseits hat sich Rosche geärgert, denn sie und ihr Hütten-Team haben das Abendessen vergeblich geplant, vorbereitet und gekocht. "Wir möchten keine Lebensmittel verschwenden und auch logistisch stellt es uns vor Probleme, wenn Gäste nicht absagen", so Rosche.

Zwischen Online-Buchung und Stornierungs-Roulette

Schon ein kurzer Anruf würde genügen und die frei gewordenen Plätze könnten an andere Bergsteigerinnen und Bergsteiger vergeben werden. Denn auch viele Wandernde ändern ihre Routen, wenn sie im länderübergreifenden Hüttenreservierungsportal sehen, dass ein Haus voll belegt ist. Wenn sich dann im Nachhinein herausstellt, dass Betten leer geblieben sind, ärgert sie das. Leere Betten bedeuten auch einen Verdienstausfall für die Hüttenwirtsleute. Bei steigenden Kosten für Instandhaltung, Lohn, Energie und Lebensmittel ist das eine zusätzliche Belastung.

Seit der Corona-Pandemie haben mehr Menschen die Berge für sich entdeckt und sind mit dem Hütten-Knigge vielleicht nicht so vertraut. Gegenseitiges Verständnis ist aber besser als auf Sanktionen zu beharren, findet auch Hüttenwirtin Nora Rosche. Sagen Gäste weder per Telefon, noch per E-Mail ab, zieht sie Stornogebühren über die Kreditkarte ein, die Gäste bei der Buchung im HRS-System hinterlegen müssen. Mitunter bekommt sie dafür Kritik: In entrüsteten E-Mails heißt es, dass dies unverschämt sei. "Ich würde mir einfach nur wünschen, dass die Leute wenigstens kurz anrufen und absagen. Dann kann man auch kulant sein", sagt die Hüttenwirtin.

Gegenseitiges Verständnis statt Sanktionen

Ähnlich sieht es der Hüttenreferent Manfred Armbrust von der DAV Sektion Nürnberg. Nur ungefähr die Hälfte der Gäste, die nicht kommt, sagt auch vorher ab. Bislang wurde dies auf der Nürnberger Hütte im Stubaital kulant gehandhabt, sodass man eine Buchung um ein paar Tage oder sogar in die nächste Hütten-Saison verschieben konnte, wenn Krankheit oder Wetter einen Strich durch die Wanderung machen. Nur bei notorischen Wiederholungstätern wurde auf der Nürnberger Hütte eine Storno-Gebühr verlangt. Allerdings könnte sich das ändern, wenn künftig die Kreditkarte beim Buchen hinterlegt werden muss.

Stark frequentierte Hütten sind von der Unsitte des Nicht-Absagens oft stärker betroffen als andere. Doch eine genaue Statistik führt der DAV nicht. Mittlerweile sind mehr als die Hälfte der 325 deutschen Alpenvereinshütten an das länderübergreifende Hütten-Reservierungssystem HRS angeschlossen, über das Stornogebühren erhoben werden können. Ob Gäste zuvor eine Kreditkarte hinterlegen müssen, kann jede DAV-Hütte und auch jede Sektion selbst entscheiden. Sie hat sich allerdings bewährt, ebenso eine digitale Warteliste, sagen die Beteiligten.

Hüttenschlafplätze mehrfach buchen ist unfair

Altbekannt ist das Problem, dass sich Hüttengäste zu Beginn der Saison mehrfach auf unterschiedlichen Hütten einbuchen, um später die Wahl zu haben. Schon jetzt können Hüttenwirtinnen und -wirte im Buchungsportal erkennen, wenn ein Gast an einem Tag in mehreren Hütten gleichzeitig reserviert hat. "In so einem Fall könnte sie beim Gast anrufen und nachfragen, ob es bei der geplanten Hüttenübernachtung bleibt", sagt Bruno Lüthi vom Schweizer Alpenclub (SAC), der das Problem der "No-Shows" seit Jahren kennt. Allerdings bedeutet dies für die Hüttenwirtsleute auch mehr Arbeit. In Österreich, beim ÖAV, müssen mittlerweile alle Hüttenpächter mit dem Reservierungsportal arbeiten, damit Doppelbuchungen erschwert werden.

Es ist natürlich ärgerlich, wenn Gäste am Anfang des Jahres mehr Hüttenschlafplätze belegen, als sie tatsächlich brauchen werden. Wenn sie also beispielsweise auf einer Hütte mehrere Wochenenden buchen, um dann kurzfristig nach Lust und Laune oder Wetter zu entscheiden. Wenn sie dann obendrein nicht einmal absagen, ist das allen anderen gegenüber unfair.

Leerstand im Lager

In vielerlei Hinsicht ist spürbar, dass der Druck auf den Berghütten zugenommen hat, ob auf den Parkplätzen im Tal oder den Übernachtungsplätzen auf der Hütte. "Die Belegungszahlen sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen", sagt DAV-Hüttenreferent Manfred Armbrust. Das habe auch mit dem schon länger andauernden Outdoor-Boom und der Kommerzialisierung zu tun. Gleichzeitig seien die Ausgaben der Hüttenbetreiber und DAV Sektionen gestiegen, weil an vielen Standorten hohe Investitionen getätigt werden müssen. Außerdem haben die Gäste höhere Ansprüche und erwarten mehr Komfort und eine warme Dusche. Ein unnötiger Leerstand während der kurzen Hüttensaison im Lager ist daher wirtschaftlich schwierig.

Fairplay am Berg

Die gute Nachricht ist aber, dass sich die Mehrheit der Menschen, die gerne in den Bergen unterwegs sind, an die Regeln halten und sich dies auch von den anderen wünschen. Denn manche haben selber schon erlebt, dass es hilfreich ist, einen Schlafplatz am Wochenende auf einer Berghütte zu ergattern, weil jemand anderes rechtzeitig abgesagt hat. Gründe für eine Absage gibt es viele, von nichtigen bis triftige. Hüttenwirtin Nora Rosche hat sogar Verständnis, dass Gäste nicht kommen wollen, wenn der Wetterbericht ein paar Regentropfen ankündigt. Obwohl es auch ohne strahlenden Sonnenschein viele tolle Bergtouren und schöne Hüttenabende geben kann.

Dieser Artikel ist erstmals am 9. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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