Signa-Baustelle des Investors René Benko in Muenchen.
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Signa-Baustelle des Investors René Benko in Muenchen.

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Benko-Pleite: So geht es mit Signa-Immobilien in München weiter

In der Münchner Fußgängerzone kommt man an seinem Namen nicht vorbei: René Benko hat mit seinem österreichischen Immobilienkonzern Signa dort gleich mehrere Großbaustellen. Doch wegen Finanzproblemen ist die Zukunft der Immobilien mehr als ungewiss.

Die Geschichte geht in etwa so: Ein Mann baut aus dem Nichts ein Immobilienimperium auf und wird ein gefeierter Star der Branche. Doch dann folgt der Absturz. Das Signa-Immobilienimperium von René Benko steht, wenn man Experten glauben darf, kurz vor der Insolvenz. In der Münchner Innenstadt hat die Signa Holding mehrere Immobilien – und zwar in der besten Lage. Nun hat Signa bei einer Münchner Immobilie einen Baustopp verhängt. Wie geht es jetzt weiter?

Die Signa-Gruppe hat für die Immobilie "Alte Akademie" in der Münchner Fußgängerzone einen Baustopp angeordnet. Das teilte der mit den Umbauarbeiten beauftragte Baukonzern Porr auf Anfrage mit. Derzeit würden auf der Baustelle neben der St. Michaelskirche in der Münchner Fußgängerzone nur noch "Sicherungsarbeiten" durchgeführt, so Porr.

OB Reiter: Bei Benko steht Profit vor Verantwortung

Als Reaktion auf den Baustopp hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter das städtische Planungsreferat angewiesen, alle Abbruchs- und Bauanträge der Signa-Gruppe "auf Eis" zu legen. In einer schriftlichen Stellungnahme bezeichnete es Reiter als bitter, wenn ein Investor gleich mehrere Immobilien an stadtbildprägenden Orten besitze und diese Firma dann unter Druck gerate. Zudem habe man es leider erleben müssen, so Reiter, dass Profitstreben für Herrn Benko ganz klar vor seiner Verantwortung stehe.

Der Baustopp für die "Alte Akademie" in der Münchner Fußgängerzone ist aber kein Einzelfall. In den vergangenen Wochen wurden auch in anderen deutschen Städten mehrere Signa-Prestigeprojekte in anderen Städten gestoppt.

René Benko – das Wunderkind

Noch vor ein paar Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass René Benko, dem gefeierten österreichischen Immobilien-Star, und seiner Signa Holding jeder noch so verwegene "Deal" gelingt. Allein die Liste an Immobilien in der Münchner Fußgängerzone, bei denen Signa zumindest teilweise beteiligt gewesen sein soll, ist lang: das ehemalige Kaut-Bullinger-Kaufhaus in der Rosenstraße, die Galeria-Kaufhof-Immobilie am Marienplatz, die Alte Akademie in der Kaufinger Straße, das Traditionskaufhaus Oberpollinger in der Neuhauser Straße, das denkmalgeschützte Gebäude am Karlstor, in dem jahrzehntelang Karstadt-Sport untergebracht war, sowie die Karstadt-Immobilie am Hauptbahnhof und das frühere Hertie-Kaufhaus.

Ob das alles wirklich Signa-Eigentum ist, ist tatsächlich schwer zu sagen, denn bei der Unternehmensgruppe äußert sich niemand. Dem Vernehmen nach sollen dem österreichischen Immobilienkonzern eigentlich "nur" noch das ehemalige Kaut-Bullinger-Kaufhaus, Teile des Oberpollinger Kaufhauses sowie das ehemalige Hertie- und Karstadt-Kaufhaus am Hauptbahnhof und eben die "Alte Akademie" gehören.

Signa ein komplizierter und verschwiegener Konzern

Ob das Münchner Grundbuch weiterhelfen kann, ist fraglich. Denn der Blick nach Österreich zeigt, wie schwer das Unternehmensgeflecht zu entwirren ist. Wenn man im österreichischen Firmengrundbuch das Suchwort "Signa" eingibt, bekommt man als Ergebnis mehrere Seiten mit ziemlich vielen Unterfirmen, die alle das Wort "Signa" in ihrem Namen haben. Viele dieser Firmen sind entweder in Innsbruck oder Wien angesiedelt, den zwei österreichischen Standorten von Signa.

Doch selbst das sei noch kein Beweis, dass die Firmen tatsächlich zur Signa-Gruppe gehören, sagt der Innsbrucker Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch. Denn nicht überall, wo Signa draufstehe, sei auch tatsächlich Signa drin. Das liege zum einen daran, dass an vielen Immobilien mehrere Eigentümer beteiligt sind. Das sei in der Branche auch völlig normal, so Dobusch. Dennoch gebe es bei Signa auch Immobilien, die Liechtensteiner Stiftungen beziehungsweise Benko persönlich oder seinen Familienmitgliedern gehören und in Wahrheit gar keinen Bezug zu Signa hätten.

Laut Dobusch weiß man aus geleakten Signa-Dokumenten, dass für das Firmenkonstrukt Signa bewusst eher eine Methode gewählt worden sei, die man von außen nur schwer durchschauen könne. Damit könnten sich dann etwa in einer Liquiditätskrise diverse Unterfirmen gegenseitig leichter Darlehen zuschieben, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Seiner Meinung ist es aber nun genau diese undurchschaubare Firmen-Konstruktion, die es Benko und damit Signa schwer mache, neue Geldgeber zu finden. Für neue Investoren ist es laut Dobusch ein Risiko, Geld in ein System zu kippen, bei dem man nicht wisse, wo es lande. Dass sich Benko weitgehend aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe, ändere daran auch nichts.

Die EZB-Zinswende – ein Problem für Signa

Bei seinen Immobilien-Deals habe Benko über Jahre "auf Kante" kalkuliert, ist sich der Professor für Betriebswirtschaft sicher. Zum einen habe man bei Signa mit zu hohen Mieteinnahmen und zu niedrigen Zinsen gerechnet. Trotz der durchweg guten Lagen der Signa-Immobilien sei das Bewertungssystem spätestens mit der inflationsbedingten Zinswende der Europäischen Zentralbank an seine Grenzen geraten, so Dobusch.

Die Liquiditätsprobleme sind nun enorm - die Signa Holding konnte aber über lange Jahre auch ziemliche Erfolge vorweisen. Das grundsätzliche Konzept war laut Dobusch, Immobilien in bester Lage aufzukaufen und durch eine spätere Mischnutzung der Immobilie eine höhere Rendite zu erwirtschaften. Das habe für die beteiligten Investoren auch durchweg gut funktioniert, wie er aus Hintergrundgesprächen erfahren habe.

Oberbürgermeister Reiter sieht Freistaat in der Pflicht

Wie groß die Liquiditätsprobleme der verschwiegenen Signa-Gruppe sein müssen, zeigt sich nun mit dem Baustopp bei der Alten Akademie. Mit einer Mischnutzung wollte Benkos Signa-Holding diese Gebäude in der Münchner Fußgängerzone auf Vordermann bringen.

Der Freistaat Bayern hatte 2013 die Immobilie im Erbbaurecht für 65 Jahre an die Signa übergeben. Für die rund 30.000 Quadratmeter bezahlte Signa nach Medienberichten rund 240 Millionen Euro. Dass dort aber nicht alles nach Plan läuft, zeichnete sich schon seit ein paar Monaten ab. 2023 sollte die Top-Immobilie eigentlich fertig sein, doch danach sieht es überhaupt nicht aus. Einer der zukünftigen Mieter, Pharmariese Novartis, hatte bereits angekündigt, erst mal nicht wie geplant 2024 dort einzuziehen.

Da der Freistaat Bayern nach wie vor Grundstückseigentümer der Alten Akademie ist, fordert der Münchner OB diesen nun auf, schnellstmöglich zu klären, wie es mit dem Erbbaurecht weitergeht.

Revitalisierung und neuer Glanz? Fehlanzeige!

Auch beim alten Kaut-Bullinger-Haus in der Rosenstraße sowie beim ehemaligen Karstadt-Gebäude am Münchner Hauptbahnhof sieht es nicht viel besser aus. Das leerstehende alte Kaut-Bullinger-Gebäude ist mit einem Holzlattenzaun vor neugierigen Blicken geschützt. Dennoch sehen die Scheiben im zweiten und dritten Stockwerk düster aus und sind blind vor Staub. Rund um die Karstadt-Immobilie am Hauptbahnhof haben Obdachlose ihr Lager aufgeschlagen, Uringeruch liegt in der Luft. Nein, nach Toplage sieht hier nichts mehr aus.

Der Münchner Signa-Aufstieg begann mit Warenhauskonzern

Der Großteil der Immobilien, die Signa in München offiziell erworben hat, stammt aus den Übernahmen der Warenhausketten "Karstadt" und "Galeria Kaufhof". Die beiden Warenhäuser waren über die gesamte Münchner Innenstadt verteilt. Damit habe sich Benko Immobilien teilweise in bester Lage gesichert, so Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland.

Allerdings sind nach Ansicht des Immobilienfachmanns selbst Toplagen keine Selbstläufer. Da brauche es ein durchdachtes Konzept, um so ein Gebäude vom Keller bis zum Dach rentabel zu vermieten. Immerhin müsste die Anziehungskraft aus dem vierten oder fünften Stock schon recht groß sein, damit Kunden aus der Fußgängerzone nach oben kommen.

Insolvenz immer noch denkbar

Wie es mit dem Signa-Konzern weitergeht, können Außenstehende nur mutmaßen. Eine Insolvenz der Holding zählt laut dem Innsbrucker Professor Leonhard Dobusch aber definitiv zu den möglichen Szenarien. Sollte der Signa-Konzern tatsächlich auseinanderfallen, könnte es für die Münchner Innenstadt länger dauernde Folgen haben, glaubt Immobilienfachmann Stephan Kippes. Bei einem Eigentümerwechsel könnten zum Beispiel gewerbliche Mieter auf neuen Mietverträgen bestehen, was die Planungen ziemlich durcheinanderbringen könnte.

Unabhängig von einer möglichen Insolvenz stehen in München laut Medienberichten aber alle im Signa-Besitz befindlichen Immobilien zum Verkauf. Auf BR-Nachfrage, auf welche Immobilien in München das nun definitiv zutreffe, antwortete der Signa-Konzern nicht. Bis in die leeren Immobilien in der Münchner Innenstadt wieder Leben einzieht, könnte es also noch dauern.

Diesen Zustand möchte Oberbürgermeister Dieter Reiter aber auf keinen Fall sehen. Leerstehende und verwahrloste Immobilien in bester Lage seien der "Worstcase", so Reiter in seinem schriftlichen Statement. Doch genau danach sieht es derzeit aus.

Dieser Artikel ist erstmals am 22. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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