Stefan Kaiser ist schwer sehbehindert. Sein Sehvermögen beträgt nur zwischen fünf und zehn Prozent. Er hat einen angeborenen grauen Star. Später ist die Diagnose eines grünen Stars dazugekommen.
"Und zusätzlich noch: Meine Augen zappeln – wo man oft gefragt wird: Ist bei dir das Bild nicht verwackelt?" Stefan Kaiser
Trotz seiner schweren Sehbehinderung hat er einen ganz normalen Job: Vor 27 Jahren hat Kaiser eine Ausbildung zum Bürokaufmann bei Wacker Chemie in Burghausen angefangen. Dort arbeitet er bis heute. Raus aus der Behindertenwerkstatt und rein in den regulären Arbeitsmarkt: Das ist eines der Ziele des bayerischen Teilhabegesetzes. Ermöglichen will das der Freistaat mit dem sogenannten "Budget für Arbeit“, also mit Geld, dass Unternehmen bekommen, wenn sie Behinderte einstellen.
"Hier haben wir in Bayern den Lohnkostenzuschuss für den Arbeitgeber – und damit den Anreiz, das Abpuffern auch von zusätzlichen Aufwendungen - deutlich erhöht." Johannes Hintersberger, bayerischer Sozialstaatssekretär
Anreize für Unternehmer geschaffen
Nämlich auf maximal 1.428 Euro pro Person und Monat. Damit zahlt Bayern mehr als vom Bund gefordert: Im Bundesteilhabegesetz sind als Höchstsatz nur 1.190 Euro vorgesehen. Eine Erleichterung bringt das neue bayerische Gesetz bei Behördengängen: Künftig sind nämlich die Bezirke alleiniger Ansprechpartner, wenn es um Leistungen für Behinderte geht. Zum Beispiel Hilfe zur Pflege oder Eingliederungshilfe.
"Dies ist auch eine deutliche Erleichterung für die Familien, für die Angehörigen der Menschen mit Behinderung. Kein Hin und Her, wo ist denn hier die richtige Behörde, das richtige Amt. Bezirke – ein Ansprechpartner – ein Kostenträger." Johannes Hintersberger, bayerischer Sozialstaatssekretär
Einheitliche Stellen werden geschaffen
Bis das wirklich so weit ist, können aber noch ein paar Monate vergehen: Bis Ende des Jahres gelten noch Übergangsfristen, damit die Bezirke die neuen Strukturen aufbauen können. Auch andere Vorgaben des neuen Gesetzes müssen erst noch mit Leben gefüllt werden. Zum Beispiel wird neu definiert, was ein Behinderter an Unterstützung braucht, so Thomas Bannasch. Er sitzt selbst im Rollstuhl und arbeitet als Geschäftsführer der LAG Selbsthilfe Bayern, einer Dachorganisation bayerischer Behindertenverbände.
"Im Grunde geht’s darum, dass festgestellt werden soll, welchen Bedarf der jeweilige behinderte Mensch an Hilfeleistungen hat. Was braucht er, um tatsächlich einigermaßen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu können." Thomas Bannasch, LAG Selbsthilfe Bayern
Bannasch sitzt mit am Tisch, wenn solche Grundsatzfragen behandelt werden. Das neue Gesetz schreibt nämlich vor, dass auch die Betroffenen mitreden dürfen und nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Eine Haltung, die bei den Betroffenen gut ankommt – wie auch das bayerische Teilhabegesetz insgesamt, sagt Thomas Bannasch.
"Das Gesetz an sich ist erst mal ein Rahmen. Der ist sicherlich ganz positiv. Da gibt es sicher an der ein oder anderen Stelle Dinge, die man besser machen könnte. Aber wir müssen einfach schauen, wie sich das Ganze mit Leben füllt." Thomas Bannasch, LAG Selbsthilfe Bayern
Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob das bayerische Teilhabegesetz seinem Anspruch gerecht wird: Weg von der Fürsorge – hin zur selbstbestimmten Teilhabe.