Bauernprotest in Berlin: Traktoren vor Brandenburger Tor
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Bauernprotest in Berlin: Traktoren, Stau, Pfiffe gegen Lindner

Tausende Landwirte haben mit ihren Traktoren in Berlin demonstriert. Laut Bauernpräsident Rukwied enden die Proteste erst, wenn die Ampel ihre Pläne zurückzieht. Ein Gespräch zwischen Bauern- und Ampel-Vertretern blieb wohl ergebnislos.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mit einer langen Kolonne von Traktoren haben Tausende Landwirte in Berlin ihrem Ärger über die Ampel-Bundesregierung und das Ende von Diesel-Vergünstigungen Luft gemacht. Bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor verlangte Bauernpräsident Joachim Rukwied: "Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück."

Am Rande der Kundgebung trafen die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen zu einem Gespräch mit den Bauernverbänden zusammen. Konkrete Einigungen gab es dem Vernehmen nach aber nicht: "In Sachen Agrardiesel" gebe es noch keine Lösung, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken. Er sehe hier aber noch "Handlungsspielraum" im Zuge der anstehenden Beratungen im Bundestag über den Haushalt 2024.

Bauernpräsident Rukwied: "Zu viel ist zu viel"

Rukwied rief bei der Kundgebung, die Demonstration setze ein Zeichen: "Es reicht, zu viel ist zu viel." Die Branche sei gesprächsbereit, der von der Regierung angebotene Kompromiss sei aber nicht fair, sondern faul. "Den nehmen wir nicht hin."

Der Bauernpräsident erklärte, es sei nicht gelungen, die Proteste "in die rechte Ecke" zu drängen. Er mahnte, dass weiterhin eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln gewährleistet sein müsse. Das sei auch die Grundlage für eine stabile Demokratie.

Bauernprotest: Tausende Menschen und Fahrzeuge

Zur Kundgebung in der Bundeshauptstadt kamen nach ersten Polizeiangaben 8.500 Menschen und rund 6.000 Fahrzeuge. Der Bauernverband nannte keine genaue Teilnehmerzahl, ging aber von rund 30.000 Demonstranten aus.

Die Kundgebung war der Höhepunkt einer Aktionswoche, mit der Bauern in den vergangenen Tagen bundesweit gegen die schon abgeschwächten Pläne der Ampel-Koalition mobil gemacht haben. Für Einsparungen im Haushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Ursprünglich sollte die Hilfe sofort ganz wegfallen. Jetzt soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge ließ die Ampel-Regierung angesichts der Proteste bereits ganz fallen.

Lindner: "Kein Sonderopfer der Landwirtschaft"

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte bei der Kundgebung, der Protest sei bereits erfolgreich gewesen, die Regierung habe die Argumente gehört. "Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben, sondern nur einen fairen Beitrag." Er betonte: "Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen." Der Minister nannte unter anderem Bürokratievorgaben sowie Umwelt- und Tierhaltungsauflagen. Zu prüfen seien auch mögliche steuerliche Erleichterungen, wenn Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken.

Lindner nannte die Bauernproteste legitim und friedlich. Als er auf der Bühne ans Rednerpult trat, wurde er von Pfiffen und Protestrufen begleitet. Rukwied richtete einen Appell an die Demonstranten und mahnte Respekt für den Minister an, der sich dem Dialog stelle. Auch während Lindners Rede gab es weiter "Hau ab"-Rufe, Hupen und Pfiffe.

Schon nachts hupende Traktoren in Berlin

Seit dem Morgen standen Traktoren, Lastwagen und andere Fahrzeuge in mehreren Reihen dicht hintereinander auf der Straße des 17. Juni und dem Boulevard Unter den Linden. Schon in der Nacht waren Traktoren mit Hupkonzerten durch die Hauptstadt gerollt. Auf Fahrzeugen waren am Morgen Slogans zu lesen wie "Tank leer – aus die Maus" und "Ohne Landwirte keine Zukunft".

Auf anderen Transparenten war von Regierungsversagen die Rede, von Unrecht, Vetternwirtschaft und Kriegstreiberei. Zu sehen war mindestens ein Modell eines Galgens mit einer Ampel. An der Siegessäule trugen Demonstranten Westen mit der Aufschrift "Wir sind das Volk".

FDP-Fraktionschef: Gespräch war "erster Auftakt"

Vertreter von Bauernverband und Ampel-Regierung wollen auch weiter miteinander reden. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, das Gespräch im Bundestag sei ein "erster Auftakt" gewesen. Es sei ein "wichtiges Signal", dass miteinander geredet werde. Dürr betonte, Landwirte seien Unternehmer und wollten unternehmerisch tätig sein. Die Regierung müsse dafür "faire Rahmenbedingungen" schaffen.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wies den Ruf nach neuen Kommissionen zur Zukunft der Landwirtschaft zurück. Es gebe mit Blick auf die Perspektiven für die Landwirtschaft kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit, sagte sie. Dringend zu reden sei aber darüber, wie Einkommen "auf den Höfen" bleibe. Sie forderte "faire Handelsbedingungen" für Landwirte und Landwirtinnen gegenüber "der Marktmacht der großen Lebensmittelkonzerne".

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte an, der Bundestag wolle bis zur Sommerpause "klare strukturelle Entscheidungen treffen, die der Landwirtschaft Planungssicherheit bringen und auch Entlastung". Der Bauernverband hat bereits weitere Demonstrationen in Aussicht gestellt, sollte die Bundesregierung bei der Kürzung der Dieselsubventionen bleiben.

Proteste: Auch Transportbranche beteiligt

Mit den Bauern rief die Transportbranche die Bundesregierung zum Umsteuern auf. "Unserer Branche reicht es auch", rief der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, bei der Kundgebung. Er kritisierte die erhöhte Lkw-Maut, die nun auch einen CO₂-Aufschlag enthält. Es heiße, diese Abgabe solle der Transformation zugutekommen, gleichzeitig mangele es aber unter anderem an geeigneten Ladestationen und Stromnetzen, um den Logistikverkehr klimafreundlich umzustellen.

Mit Informationen von dpa und AFP

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