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Ein Flusskreuzfahrtschiff auf der Donau.

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Auf Flusskreuzfahrtschiffen weiter gravierende Mängel entdeckt

Endlose Arbeitstage, Hungerlöhne, Ausbeutung - Recherchen des Bayerischen Rundfunks zeigen, dass dies Alltag zu sein scheint auf bayerischen Flusskreuzfahrtschiffen. Die Ermittler stießen bei Kontrollen erneut auf gravierende Mängel. Von K. Neuwert

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Auf Flusskreuzfahrtschiffen, die auf der bayerischen Donau unterwegs sind, arbeitet Bordpersonal reihenweise zu Hungerlöhnen. Teilweise liegt der Stundenlohn für die Beschäftigten unter zwei Euro. Auf derartige Fälle sind bayerische Ermittler jüngst bei einer Kontrolle in Passau gestoßen.

Mit Hungerlöhnen abgespeist

Entsprechende Informationen des Bayerischen Rundfunks bestätigte das Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage. Festgestellt wurden unter anderem schwere Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Statt der vorgeschriebenen 8,84 Euro brutto erhielten Crewmitglieder nur rund 2,80 Euro brutto pro Stunde. Von Einzelfällen kann laut LKA keine Rede sein. Die entsprechenden Unternehmen operierten wie Konzerne. Auf ihren 30 bis 80 Schiffen fänden sich prinzipiell identische Beschäftigungsverhältnisse, so ein Sprecher.

Kontrolle in Passau

Bei einer Stichprobenkontrolle in Passau hatten die Ermittler Mitte Mai drei Schiffe kontrolliert. Bei zweien besteht der konkrete Verdacht, dass jeweils 30 ihrer Besatzungsmitglieder "Opfer von Arbeitsausbeutung" wurden. So heißt es in einem Ermittlungsbericht, der dem BR vorliegt. Die beiden Schiffe gehörten zu einem schweizerischen Unternehmen. Das Personal war über eine zypriotische Firma als Saisonarbeiter beschäftigt. Pro Stunde erhielten die Mitarbeiter rund 1,80 Euro netto. Dem Bericht zufolge ergibt sich die Summe aus einem Netto-Monatslohn von etwa 800 Euro für gut 280 Arbeitsstunden. Für Kost und Logis wurden dem Personal 300 Euro abgezogen. Weitere Ermittlungen laufen. Die Überprüfungen in Passau fanden im Rahmen einer europaweiten Kontrollwoche gegen Ausbeutung statt.

Kreuzfahrtbranche im Fokus der Ermittler

Die boomende Flusskreuzfahrtsbranche ist dabei schon länger im Fokus der deutschen Ermittlungsbehörden. Nach LKA-Angaben greifen etliche Reedereien auf illegale oder rechtlich fragwürdige Beschäftigungskonstrukte zurück. Etwa indem Personal über weltweit ansässige Dienstleister oder Tochtergesellschaften beschäftigt wird, um Abgaben zu sparen und eine juristische Verfolgung von Straftaten oder Vergehen zu erschweren. Als Standorte kämen Zypern, Malta, Bulgarien oder die Cayman Islands in Frage. Branchenkennern zufolge lässt sich eine derartige Praxis durch das Streben nach Gewinnmaximierung erklären.

Millionengeschäft Flusskreuzfahrt

Derzeit erfreuen sich Reisen auf Flüssen wie Main und Donau unter anderem bei nordamerikanischen Touristen großer Beliebtheit. Im Jahr 2016 erlösten allein die Mitgliedsunternehmen des Branchenverbandes IG Rivercruise eigenen Angaben zufolge 450 Millionen Euro in Deutschland. Zu den Passauer Kontrollergebnissen äußerte sich der Branchenverband auf Anfrage nicht näher. Bis dato hätten die Ermittlungsbehörden die IG Rivercruise nicht kontaktiert, erklärte Präsident Daniel Buchmüller.

Gewerkschaft verurteilt Ausbeutung

Ein Sprecher der Schifffahrtsgewerkschaft Nautilus International hingegen verurteilte das Gebaren der Reedereien im Interview mit dem BR. Aus Sicht der Gewerkschaft mit über 22.000 Mitgliedern wäre ein Tarifvertrag für die Beschäftigten wünschenswert.

Der Bayerische Rundfunk hatte vor gut einem Jahr erstmals über Missstände in der Branche berichtet. In diesem Zusammenhang hatte die IG Rivercruise erklärt, man setze sich für die Einhaltung von Regeln und Gesetzen ein.