Arbeit in der Schreinerei Kaiser an Kreissägen und Fräsen
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Arbeit in der Schreinerei Kaiser an Kreissägen und Fräsen

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Anbindegebot: Bremsklotz für Handwerksbetrieb

Ein Schreinermeister in Niclasreuth bei Ebersberg will seinen Betrieb ausbauen, darf aber nicht, weil sein Grund außerhalb der Wohnbebauung liegt. Der zuständige Landrat fordert die Staatsregierung auf, das sogenannte Anbindegebot zu lockern.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

In dieser Werkstatt ist es wirklich eng, es bleibt kaum Platz zwischen den vielen Sägen, Fräsen und Hobelmaschinen. 13 Mitarbeiter hat der Familienbetrieb Kaiser, den es seit 1891 hier gibt, und das Geschäft brummt. Schränke, Betten, Küchen – alles was ein Schreiner maßgefertigt liefert, wird hier hergestellt. Mitten drin in dem Lärm und Sägemehl der junge Chef, Quirin Kaiser, er hat das Unternehmen in 5. Generation von seinem Vater übernommen. Der Schreinermeister hat die Sparte Handzuginstrumentenbau dem Angebot hinzugefügt, ein sehr seltenes Handwerk, das ihm viele Aufträge beschert. Der "Ziachkaiser", als solcher ist er weithin bekannt, möchte sein kleines Reich gerne vergrößern, scheitert aber am begrenzten Raum und am sogenannten Anbindegebot. Das besagt, dass neue Gewerbebauten nur an vorhandenen Siedlungen genehmigt werden dürfen. Das soll die Zersiedelung der Landschaft verhindern und den Flächenverbrauch eindämmen.

Quirin Kaiser spielt meisterlich Harmonika
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Quirin Kaiser an einer neuen Ziach, selbst gefertigt.

Ich musste fünf Bewerbungen für die Schreinerlehre und sieben für den Harmonikabau ablehnen. Quirin Kaiser, Schreinermeister

Auf dem Grund der Familie Kaiser stehen Lagerhalle, Wohnhaus und Werkstatt, alles direkt neben einer Straße im sogenannten Außenbereich, gut hundert Meter sind es bis zum Dorf Niclasreuth. Der Neubau einer Lagerhalle oder eines Gebäudes für eine weitere Werkstatt würde bei strenger Auslegung der Bauordnung das sogenannte Anbindegebot an die dörfliche Bebauung verletzen. Auf der Wiese zwischen dem Betrieb und dem Dorf steht seit kurzem allerdings eine stattliche Lagerhalle, die ein Landwirt errichtet hat. Das ist legal, das Baugesetz privilegiert solche Bauten aber nur für bäuerliche Betriebe

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Vorne das Wohnhaus, mit grünem Kreuz die Werkstatt, mit gelbem Kreis die Halle eines Landwirts, rot eine mögliche Variante der Brennertrasse

Alle Anträge auf Erweiterung abgelehnt

Möglicherweise wird über den schmalen Streifen zwischen dem Kaiser-Grundstück und dem Dorf sogar die Brenner-Trasse verlaufen, die Bahn hat diese Variante in die Planung aufgenommen. Dem Handwerker fehlt angesichts solcher möglichen Baumaßnahmen jedes Verständnis, dass seine kleinen Wünsche abgelehnt werden. Quirin Kaiser hat seit Monaten viele Anträge und Planungen eingereicht, dabei die Größe und den Aufwand immer weiter reduziert. Zuletzt ging es um eine Fläche von nur noch 88 Quadratmetern auf asphaltiertem Untergrund direkt neben der alten Werkstatt. Aber auch das wurde abschlägig beschieden.

Landrat fordert neue Interpretation des Anbindegebots

Dabei äußern sowohl der Bürgermeister der Gemeinde Aßling als auch der Landrat des Kreises Ebersberg großes Wohlwollen zu den Ausbauwünschen. Beide haben sich persönlich ein Bild von der Lage gemacht. Sie sehen die Nöte des Traditionsbetriebs, sie wollen, dass er am Heimatort bleibt und sich entfalten kann, aber auch sie ringen mit der strengen Auslegung von Vorschriften durch die zuständigen Behörden, so legen sie dar. Bürgermeister Hans Fent sagt, der Gemeinderat habe einstimmig eine Erweiterung befürwortet, der Außenbereich sei aber ein hohes Schutzgut, eine baurechtliche Genehmigung in diesem Fall sehr schwierig. Landrat Robert Niedergesäß hat den bayerischen Wirtschaftsminister am Beispiel des Falles Kaiser aufgefordert, das Anbindegebot nicht so streng auslegen zu lassen, sondern praxisnäher damit umzugehen.

Ich würde den Bauantrag gerne heute unterschreiben, aber die Baugesetze verhindern das. Robert Niedergesäß, Landrat

Das sei schon einmal lockerer gehandhabt worden, so Niedergesäß zum BR, die Behörden seien aber vom Ministerium angewiesen worden, die Vorschrift strenger auszulegen. Deswegen könne man solche Betriebe wie Kaiser derzeit nicht erweitern. Die Privilegierung von Landwirten in dieser Hinsicht hält der Landrat für richtig, das Recht sollte aber erweitert werden auf Handwerksbetriebe. Nur so seien die Menschen und ihre Arbeitsplätze auch in der Region zu erhalten. "Die Natur ist wichtig, der Schutz der Landschaft im Außenbereich auch", so Niedergesäß, "aber auch eine vernünftige Entwicklung von Ortschaften und Gewerbebetrieben muss möglich sein." Minister Aiwanger hat noch nicht geantwortet, die Sache ist kompliziert, eine Entscheidung hätte wohl Folgen weit über Niclasreuth hinaus.

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Der Schreinermeister ist als Ziachkaiser ein gefragter Volksmusikant

Der Ziachkaiser denkt über Umzug nach

Der 33-jährige Handwerksmeister verliert allerdings langsam die Geduld. Er könne all die Reden vom Stolz auf das bayerische Handwerk nicht mehr hören, sagt er. Er wolle doch nur einen Traditionsbetrieb auf traditionelle und bescheidene Weise erweitern, ohne das Landschaftsbild zu verschandeln. Nur so könne er am Heimatort bleiben, ein Umzug in eines der seelenlosen Gewerbegebiete in Aßling kommt für ihn nicht in Frage. Aber wenn sich in der Nähe ein Dorf fände, das bessere Bedingungen bietet, dann könnte es schon sein, dass die Familie Kaiser nach 130 Jahren die alte Heimat verlässt. Der Vater von drei Söhnen steckt voller Energie, einen Neustart würde er wagen.

Mit Musik die Stimmung erhalten

Bei den Dreharbeiten für einen Abendschau-Film zeigt uns der Ziachkaiser dann noch seine Virtuosität an der steirischen Harmonika. Schöne Stücke aus heimischen Hölzern stellt er her – und bringt sie mit flinken Fingern zum Klingen, komponiert auch selbst kleine Stücke für die vielen namhaften Musikgruppen, die ihn als Ziacherer anfragen. Die Musik hilft ihm, den Ärger mit dem Ausbau zu verdauen und die Lebensfreude zu erhalten. Trotz allem hofft Quirin Kaiser noch auf ein harmonisches Ende.

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