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Reichsparteitagsgelände Nürnberg

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70 Jahre Israel: Das besondere Verhältnis von Nürnberg zu Israel

Vor 70 Jahren wurde der Staat Israel gegründet - am 14. Mai 1948. Auch in Nürnberg wird es einen Festakt geben. Als historischer Ort der Reichsparteitage sowie heutige Stadt der Menschenrechte fühlt sich Nürnberg Israel besonders verbunden.

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Die israelitische Kultusgemeinde und die Stadt Nürnberg organisieren gemeinsam den Festakt 70 Jahre Israel am Sonntag (15.04.18) in Nürnberg. "Wir werden einen Blick zurück auf die Geschichte werfen, aber auch einen fröhlichen Blick nach vorne", so Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD).

Von den Reichsparteitagen zum Dokumentationszentrum

Der Blick zurück auf die Geschichte: Nürnberg ist Stadt der Täter. Jahr für Jahr haben sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Hunderttausende Menschen auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg versammelt. 1935 wurden hier die Rassengesetze verkündet, die in der Folge die systematische Verfolgung und Ermordung der Juden ermöglichten.

Heute laufen vor allem Schulklassen und Touristen über das Gelände und besuchen das Dokumentationszentrum, das die Nazi-Verbrechen aufarbeitet. Auch viele jüdische Besucher aus Israel kommen, so der Historiker im Dokumentationszentrum, Alexander Schmidt.

"Ich denke, das Dokumentationszentrum zeigt jedem Nürnberg-Besucher ganz deutlich, dass diese Stadt die NS-Vergangenheit nicht unter den Teppich kehren will. Und dies ist überhaupt die Voraussetzung für irgendein vernünftiges Verhältnis zu Israel." Alexander Schmidt, Historiker im Dokumentationszentrum

Bis die Stadt Nürnberg jedoch einen Weg fand, mit der historischen Last umzugehen, hat es lange gedauert. Erst im Jahr 1997 beschloss der Stadtrat die Errichtung des Dokumentationszentrums. Lange wurde diskutiert, wie das Gelände angemessen umgestaltet werden soll. Aber auch die Nürnberger verdrängten nach dem Krieg die Geschichte, so Maly. Erst mit dem Auschwitz-Prozess in Frankfurt Anfang der 60er Jahre und mit der Generation der 1968er wandelte sich die Erinnerungskultur. "Die 68er haben ihren Eltern und Großeltern die unerbittlichen Fragen gestellt: Was habt Ihr gemacht? Wart Ihr dabei? Warum habt Ihr nicht Haltung bezogen?", sagt Maly.

Nürnberger Prozesse und Stadt der Menschenrechte

Nürnberg hat sich gewandelt. Von der Stadt der Reichsparteitage und Rassengesetzte zunächst zum Ort der Nürnberger Prozesse. Im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes standen die Hauptkriegsverbrecher vor Gericht. Nürnberg begann sich aktiv für Menschenrechte einzusetzen und erklärte sich selbst später zur Stadt der Menschenrechte. Seit 1995 verleiht die Stadt den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis. Zuletzt wurde 2017 die syrischen Gruppe um Fotograf "Caesar" mit dem Preis ausgezeichnet.

Jüdisches Leben kehrt nach Nürnberg zurück

Aber vor allem ist in Nürnberg wieder eine jüdische Gemeinde entstanden. Ein Verdienst von Arno Hamburger, der nach dem Krieg aus dem Gebiet des heutigen Israels wieder nach Nürnberg zurückkehrte. Er baute die israelitische Kultusgemeinde auf und setzte sich als Politiker im Nürnberger Stadtrat auch für einen Austausch mit Israel ein. Kein leichtes Unterfangen, erinnert sich sein Sohn Jo-Achim Hamburger.

"Es war wahnsinnig schwer, eine Stadt in Israel zu finden, die mit Nürnberg eine Städtepartnerschaft eingehen wollte. Nürnberger Gesetze, Reichsparteitage, Stadt der Bewegung, Schatzkästlein des Deutschen Reiches: Das waren die ersten Assoziationen. Mein Vater ist durch ganz Israel getingelt. Und hat immer wieder betont, dass Nürnberg als Schaubühne benutzt wurde von den Nazis." Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde

1995 wurde der Vertrag zwischen Nürnberg und Hadera unterzeichnet, einer Stadt nördlich von Tel Aviv nahe dem Mittelmeer. In Israel hagelte es deswegen anfangs Kritik. Mittlerweile sei die Städtepartnerschaft relativ natürlich und selbstverständlich, so Hamburger.

Jüdische Gemeinde in Nürnberg wächst

Jo-Achim Hamburger hat die Leitung der israelitischen Kultusgemeinde von seinem 2013 verstorbenen Vater Arno übernommen. Für ihn ist vor allem der Blick nach vorn wichtig. Nachdem die jüdische Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg fast vollständig verschwunden war, zählt sie jetzt rund 2.200 Mitglieder. Ein Kindergarten soll nun gebaut, mehr Geld in die Jugend investiert werden.

"Für uns ist Nürnberg Heimat, für uns ist Nürnberg Geschichte. Aber Nürnberg hat sich intensiv und kontinuierlich mit dieser Vergangenheit beschäftigt. Die Aufarbeitung geht weiter. Und ich glaube, dass wir sehr viel mehr Vorteile in Zukunft haben werden, wenn wir uns weiter auseinandersetzen mit der Vergangenheit und in Zukunft alles tun für ein friedliches Miteinander." Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde 

(Autor: Tina Wenzel)