Franken - Kultur


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Mit Jean Paul rollwenzeln Wie man Hatztage übersteht

Wenn ich sage, dass Jean Paul auch das Wort "rollwenzeln" erfunden hat, werden mir Sprachforscher widersprechen; und in der Tat habe ich keine Belegstellen dafür gefunden. Aber es muss sie geben.

Von: Hermann Glaser

Stand: 03.04.2013 | Archiv

In der Gaststätte Rollwenzelei bei Bayreuth hatte Paul seine Studierstube | Bild: picture-alliance/dpa

Unser sprachgewaltiger fränkischer Dichter lehrte uns doch die mit dem "Rollwenzeln" verbundene Lebenskunst. Und das kam so: Am Ende seines Lebens – da wohnte er in Bayreuth – ist er zwanzig Jahre lang tagtäglich, einen Dachsranzen auf dem Rücken und einen Knotenstock in der Hand, mit seinem schwarzen Spitz, der erst voraussprang, dann altersschwach hinterherschlurfte, in den Gasthof "Rollwenzelei" gepilgert, hat in der Wirtstube Platz genommen – da war ein Tisch, ein Stuhl, ein Sofa und noch ein paar andere Möbelstücke – und hat geschrieben.

Köstlichkeiten, für die Jean Paul das Schreiben unterbrach

"Sie arbeiten sich zu Tode", meinte die Wirtin; doch damit dies nicht eintrat, hat sie ihm ein Fläschchen Roussillon des Tages über und abends einen Krug Bier gebracht und auch Holunderbeeren in Teig herausgebacken; (das teilte er dann seinem Lesepublikum mit, schrieb etwa im Vorwort eines Romans, dass er wegen dieser Köstlichkeit das Schreiben unterbrechen müsse). Er freute sich an den einfachen Dingen des Lebens. Sollten wir dies nicht auch tun?

Wenn wieder einmal Hatztag ist ...

Was damit gemeint ist, können wir in seiner Erzählung "Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wutz im Auenthal" – die Rollwenzelei war so eine Art Auenthal – erfahren. Wenn wieder einmal ein Hatztag ist – und es gibt viele solche im Leben – also wenn der Tag toll und windig ist, dann kriecht Wutz abends unter sein Oberbett, krempelt sich mit den Knien bis an den Nabel zusammen und sagt zu sich: "Siehst du, es ist doch vorbei."

Voller Vorfreude

Doch das ist nicht alles. Den ganzen Tag über, eben wenn er herumgejagt wird, freute er sich auf oder über etwas. "Vor dem Aufstehen", sagte er, "freu’ ich mich auf das Frühstück, den ganzen Vormittag aufs Mittagessen, zur Vesperzeit aufs Vesperbrot und abends aufs Nachtbrot – und so hat der Wutz sich stets auf etwas zu spitzen." Trank er tief, so sagte er: "Das hat meinem Wutz geschmeckt" und strich sich den Magen. Nieste er, so sagte er:

"Helf dir Gott, Wutz! ... Ein andrer Paragraph aus der Wutzischen Kunst, stets fröhlich zu sein, war stets fröhlich aufzuwachen – und um dies zu können, hob er immer vom Tage vorher etwas Angenehmes für den Morgen auf, entweder gebackne Klöße oder ebensoviel äußerst gefährliche Blätter aus dem 'Robinson', der ihm lieber war als Homer – oder auch junge Vögel oder junge Pflanzen, an denen er am Morgen nachzusehen hatte, wie nachts Federn und Blätter gewachsen."

Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wutz im Auenthal, Jean Paul     

Ein Rollwenzler genießt die kleinen Dinge

Wutz fügt sich nicht ins Übel, ist auch nicht begierig, es zu tragen; ist kein Philosoph oder gläubiger Mensch, sondern er denkt eben, und das ist sein Pfiff, dass man die kleinen Dinge genießen muss; er ist ein Rollwenzler.       

Heute, wo wir so viel shoppen und unsere Einkaufswägen immer prall gefüllt sind, wird man Jean Paul als armen Schlucker bezeichnen. Manchmal stelle ich mir vor, ich könnte in eine Rollwenzelei wandern, ohne Handy und Laptop. Soll man der Duden-Redaktion empfehlen, bei der nächsten Auflage das Wort "rollwenzeln" aufzunehmen? Was meinen Sie?


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Joachim Kortner, Donnerstag, 02.Mai 2013, 14:24 Uhr

1. rollwenzeln

"rollwenzeln" sollte unbedingt ein Nachtrag im Duden werden. Allein schon wegen des Klangs!

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