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Das Thema Phöbus und Berliner Abendblätter

Stand: 22.11.2011 | Archiv

In den Jahren von 1808 bis zu seinem Tod versucht Kleist mehrmals, als Publizist und Herausgeber Fuß zu fassen.

Der Unternehmer und Publizist Kleist

Nachdem die Pläne zur Gründung einer "Karten-, Kunst- und Verlagsbuchhandlung" an Finanzierungs- und Konzessionshürden im Sand gescheitert sind, ruft er mit dem nationalkonservativen Philosophen Adam Müller die Zeitschrift "Phöbus. Ein Journal für die Kunst" ins Leben. Das Blatt soll monatlich im Selbstverlag erscheinen und in die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der klassischen und romantischen Strömungen eingreifen. Die erste Ausgabe erscheint im Januar 1808. Sie enthält neben Auszügen aus Kleists Drama "Penthesilea" auch ein Gedicht von Novalis. Mit Spannung erwarten die Herausgeber die Reaktion Goethes, dem Kleist "auf den Knien seines Herzens" ein Exemplar der Erstausgabe zugeschickt hatte. Goethe lässt sich Zeit mit der Antwort, reagiert dann aber ausgesprochen kühl, lehnt jede Beteiligung am Projekt und vor allem die "Penthesilea" unversöhnlich ab. Da auch Tieck, Jean Paul oder Wieland nicht bereit sind, Texte beizusteuern, füllt Kleist die Ausgaben mehr und mehr mit eigenen Arbeiten, darunter "Die Marquise von O…" und "Michael Kohlhaas" sowie Fragmente aus dem Lustspiel "Der zerbrochne Krug" und dem Schauspiel "Das Käthchen von Heilbronn". Bis Dezember 1808 erscheinen zehn insgesamt Hefte. Da Finanzierung zunehmend schwieriger wird und die Nachfrage mangels interessanter Autoren ausbleibt, erscheint im April 1809 das letzte Heft.

Der zerbrochene Traum

Das Projekt ist fehlgeschlagen, Kleist hoch verschuldet. Er reagiert, wie schon so oft in ähnlichen Fällen: Er reist. Zuerst nach Prag und von dort aus nach Wien, wo er sich mit patriotischen Kreisen trifft. Durch sein wütendes, gegen Napoleon wetterndes Drama "Die Hermannsschlacht" und eine Reihe politischer Gedichte ist er bestens eingeführt. Von Mai bis Ende Oktober 1809 hält er sich erneut in Prag auf. Der dort gefasste Plan zu einem politischen Wochenblatt mit dem Signaltitel "Germania" verläuft im Sand.

Berlin - Ein letzter Versuch

Am 4. Februar 1810 bezieht Kleist eine Wohnung in Berlin. Obwohl das "Käthchen von Heilbronn" aufgeführt und ein Band mit Erzählungen gedruckt wird, nehmen die Geldsorgen überhand. In dieser prekären Situation gelingt es ihm, den Verleger Julius Eduard Hitzig für ein neues Projekt, sein letztes, zu gewinnen. Hitzig ist bereit, die "Berliner Abendblätter" in seinem Verlag zu veröffentlichen. Kleist fungiert als Herausgeber, Redakteur und Autor in einem. Am 1. Oktober 1810 erscheint die erste Ausgabe. Bis zum 30 März 1811 kommt das Blatt sechsmal wöchentlich als eine der ersten Tageszeitungen Deutschlands heraus. Kleist hat sich vorgenommen, alle Stände anzusprechen und zieht dazu sämtliche publizistischen und journalistischen Register. Aktuelle Polizeiberichte, Unfallmeldungen und Skandalgeschichten stehen hart neben Rezensionen, Theaterberichten und literarisch anspruchsvollen Texten. Viele davon stammen aus der Feder Kleists, etwa das "Bettelweib von Locarno", "Die heilige Cäcilie" oder die Essays "Über das Marionettentheater" und "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaften". Dem Medium wie auf den Leib geschrieben sind vor allem Kleists Anekdoten, kompakte Wunderwerke an Präzision, Pointierung und sprachlicher Verdichtung. Die Mischung schlägt ein, das Blatt ist zunächst ein Verkaufserfolg.

Zum Scheitern verurteilt

Doch schon im Januar 1811 reißt der Glücksfaden. Kleist legt sich mit dem mächtigen Theaterdirektor Iffland an und provoziert ein Verbot der Theaterberichterstattung. Eine Artikelserie mit äußerst kritischen Angriffen auf die Politik des preußischen Staatsministers Hardenberg schränkt die Polizeiberichterstattung ein. Damit fehlen zwei entscheidende Zugpferde, die Absatzzahlen sinken. Am 30 März 1811 stellen die Abendblätter ihr Erscheinen ein.


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