Eine Frau saugt in einer Wohnung einen Teppich mit einem Staubsauger, während eine weitere Person auf dem Sofa sitzt und die Füße hochhebt.
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Mehr als jeder vierte junge Erwachsene wohnt in Deutschland mit 25 Jahren noch bei den Eltern.

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Mehr als jeder Vierte wohnt mit 25 Jahren noch bei den Eltern

Schweden suchen sich schon vor dem 18. Geburtstag eine eigene Wohnung, Kroaten wohnen bis 32 bei den Eltern. Deutschland liegt im Mittelfeld – auffällig ist hierzulande aber ein anderer Fakt.

Wann zieht er denn endlich aus? In Frankreich – wo Kinder im Schnitt mit 23,7 Jahren das Elternhaus verlassen – wurde 2001 der Film "Tanguy – der Nesthocker" zum Kassenschlager in den Kinos. Ein Elternpaar versucht darin mit allen möglichen, oft fiesen, Mitteln, ihren Sohn aus der Wohnung zu vergraulen. Die Familienkomödie traf auch hierzulande einen Nerv.

Mehr als jeder vierte junge Erwachsene wohnt in Deutschland mit 25 Jahren noch bei den Eltern. Dabei bleiben Söhne länger zuhause als Töchter, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. 34 Prozent der 25-jährigen Männer lebten 2019 noch im Elternhaus, bei den Töchtern waren es 21 Prozent. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bleibt auch in höherem Alter bestehen: Mit 30 Jahren wohnten noch 13 Prozent der ledigen Söhne im Elternhaushalt, aber nur fünf Prozent der Töchter.

Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht darin einen Beleg, "dass die Emanzipation der Männer ins Stocken geraten ist". Auch Untersuchungen wie die Shell Jugendstudie belegten diesen Trend, sagte er. Um das 20. Lebensjahr herum gehe die Schere auseinander.

"Die jungen Frauen erzielen die besseren Bildungsergebnisse. Sie sind agiler im Umgang mit ihren Lebensherausforderungen. Sie sind selbstständiger und selbstbewusster und wollen sich deswegen früher von ihren Eltern lösen", sagte Hurrelmann. Bei jungen Männern sei eher der gegenteilige Trend zu beobachten: "Sie genießen das Hotel Mama so lange sie können. Das ist angenehm, das ist bequem. Sie wollen in Deckung bleiben, so lange es geht."

Mit wie viel Jahren Söhne und Töchter in Deutschland ausziehen

Im Durchschnitt checkten Söhne 2019 mit 24,4 Jahren aus dem Hotel Mama aus, Töchter mit 22,9 Jahren. In Summe ist die Tendenz leicht fallend: Nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) sank das geschätzte durchschnittliche Alter beim Auszug in Deutschland zwischen 2010 und 2019 von 24,1 auf 23,7 Jahre.

"Das Auszugsverhalten junger Menschen hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert", berichteten die Statistiker mit Blick auf die Zeitreihe: Im Jahr 2000 lebten rund 30 Prozent der 25-Jährigen mit ihren Eltern unter einem Dach, 2019 waren es, beide Geschlechter zusammengerechnet, 28 Prozent.

Wann Kinder im europäischen Vergleich ausziehen

In Europa gibt es je nach Land starke Unterschiede: Besonders früh werden Skandinavier flügge. Mit 17,8 Jahren hatte Schweden 2019 das niedrigste Auszugsalter. Auch in Dänemark (21,1 Jahre) und Finnland (21,8 Jahre) verlassen Kinder das Elternhaus vergleichsweise früh. Anders in den süd- und osteuropäischen Ländern: Am spätesten zogen Kinder mit 31,8 Jahren in Kroatien aus. Danach folgen Slowakei (30,9), Italien (30,1) und Bulgarien (30,0).

Als Grund nennt das Statistische Bundesamt unterschiedliche finanzielle und kulturelle Rahmenbedingungen in den EU-Ländern. Eurostat sieht zudem einen Zusammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeit in den jeweiligen Ländern. Eines aber ist in fast allen EU-Ländern gleich: Töchter ziehen früher aus als Söhne, einzige Ausnahme bildet Luxemburg.

Unterschiede zwischen Stadt und Land in Deutschland

In Deutschland fällt noch ein anderer Unterschied auf: In den ländlichen Gebieten ist der Anteil der 20- bis 25-Jährigen, die noch bei den Eltern leben, deutlich höher als in den Städten, berichtete das Bundesamt. In Niedersachsen wohnte fast jeder Zweite in dieser Altersgruppe noch im elterlichen Heim, im angrenzenden Hamburg war es nur etwa jeder Dritte. Ähnlich in den östlichen Bundesländern: In Brandenburg lag der Anteil bei 47 Prozent, in Berlin bei 36 Prozent.

Hurrelmann findet das überraschend: Zu erwarten wäre, dass hohe Mieten und ein angespannter Wohnungsmarkt Jugendliche in der Stadt dazu bewegen, zu Hause wohnen zu bleiben. Die Forschung habe keine Befunde dazu, sagt Hurrelmann. Eine mögliche Erklärung sei, dass Bindungen und Gewohnheiten eventuell auf dem Land stärker sind.

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