Auf den Stimmzetteln zur Kommunalwahl steht neben dem Namen des Kandidaten meist auch eine Berufsangabe.
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Auf den Stimmzetteln zur Kommunalwahl steht neben dem Namen des Kandidaten meist auch eine Berufsangabe.

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Kommunalwahl: Welchen Einfluss hat der Beruf der Kandidaten?

Kommunalwahl: Welchen Einfluss hat der Beruf der Kandidaten?

Am 15. März wählen die Bayern ihre politischen Vertreter in Gemeinden, Städten und Landkreisen. Auf dem Wahlzettel steht neben dem Namen bei vielen Kandidaten auch der Beruf. Welche Rolle spielt er für die Entscheidung der Wähler? Ein #Faktenfuchs

Unternehmerin, Homöopath, Sozialpädagogin oder DJ - neben dem Namen eines Kandidaten steht auf dem Wahlstimmzettel bei der Kommunalwahl auch dessen Beruf. Welche Rolle spielt er für die Entscheidung der Wähler?

Fragt man bayerische Wähler auf der Straße, welche Bedeutung der Beruf eines Kandidaten für sie hat, ist das Bild gespalten. Cordula Matschak aus Sommerhausen bei Würzburg sagt:

"Der Beruf spielt für mich keine Rolle, sondern einfach, was der Kandidat so vertritt an Meinungen, an Anregungen für die Gemeinde. Aber ob der jetzt Metzger ist oder Lehrer, ist für mich zweitrangig." Cordula Matschak

Anders sieht das Peter Fischer aus Zell am Main:

"Das beeinflusst mich schon, weil ich ja viele Kandidaten nicht kenne und dann ist das schon ein Kriterium für mich bei der Wahl, sodass ich das auf jeden Fall mit einfließen lasse." Peter Fischer

Und auch Maria Kellner aus Eisingen in Unterfranken achtet auf dem Wahlzettel auf den Beruf:

"Ich gucke nach Pädagogen etwa, die dann soziale Kommunalpolitik betreiben. Auch Wirtschaft fände ich wichtig – Wirtschaftsingenieur sowas, Ärztin, Politikwissenschaftler, weil ich denke, dass das kompetente Leute sind. Gerade in der Kreistagswahl, wo man die Kandidaten nicht mehr persönlich kennt - anders als beim Gemeinderat." Maria Kellner

Die BR-Umfrage unter Wählern ist nicht repräsentativ. Aber sie zeigt: Für einige Wähler spielt der Beruf der Kandidaten durchaus eine Rolle. Doch welche genau? Hilft sie den Wählern, eine bessere Entscheidung zu treffen? Und welche Berufe werden bevorzugt, welche eher abgelehnt? Diesen Fragen geht der #Faktenfuchs nach.

In Deutschland gibt es keine Studien

In Deutschland seien ihm zu der Frage, ob Wähler bestimmte Berufe diskriminieren, keine Studien bekannt, sagt Rüdiger Schmitt-Beck, Professor für Politikwissenschaft und Politische Soziologie an der Uni Mannheim. Das mag auch daran liegen, dass das Thema erst dann zum Tragen kommt, wenn die Entscheidung für einen bestimmten Beruf nicht zugleich die Entscheidung gegen eine bestimmte Partei bedeutet.

"Denn der wichtigste Faktor für die Wahlentscheidung ist immer die Parteiausrichtung." Rüdiger Schmitt-Beck, Professor für Politikwissenschaft

Ähnlich sieht das Ina Bieber, die am Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften zum Wahlverhalten der Deutschen forscht:

"Die Parteiidentifikation ist die Brille, die der Wähler trägt. Alle Informationen, die er aufnimmt, werden durch diese Brille analysiert." Ina Bieber, Wahlforscherin

In den letzten Jahren nehme die Parteiidentifikation bei vielen Wählern ab. Je weniger ein Wähler an eine bestimmte Partei gebunden ist, desto wichtiger werden andere Faktoren bei der Wahl.

Persönliche Faktoren werden wichtiger, wenn die Parteiidentifikation abnimmt

Darunter an vorderster Stelle: Spezifische Wahlkampfthemen – Wer setzt sich am meisten für mein Thema ein? – und die Person des Kandidaten.

Faktoren wie der Beruf sind also vor allem dann wichtig, wenn die Partei nicht so sehr im Vordergrund steht und der Wähler direkt für bestimmte Kandidaten stimmen kann. Das ist unter anderem bei der Kommunalwahl der Fall. Hier hat der Wähler, etwa bei der Wahl zum Gemeinde- oder Stadtrat, viele einzelne Stimmen an viele Kandidaten vergeben.

Und: Er kann "kumulieren und panaschieren": Also mehrere Stimmen an einen Bewerber vergeben und/oder Stimmen auf verschiedene Bewerber aufteilen, auch über verschiedene Parteilisten hinweg. Anders als etwa bei den Bundestagswahlen kann man also einzelne Kandidaten "hoch-" oder "runterwählen" und damit ihre Platzierung auf der Liste verändern. Und gerade, wenn viele unbekannte Namen auf der Liste stehen, kann auch der Beruf des Kandidaten eine Rolle spielen. Wie genau die Kommunalwahl funktioniert, haben wir übrigens hier aufgeschrieben.

Je weniger der Wähler weiß, desto mehr greift er bei der Wahl auf Vorurteile zurück

Wahlforscher Schmitt-Beck erklärt, wie das funktioniert: Wenn Wähler wenig Informationen über die einzelnen Kandidaten haben, greifen viele auf die wenigen Informationen auf dem Wahlzettel zurück – als eine Art "Abkürzung" zu einer informierten Wahlentscheidung.

Aus Name, Titel, Geschlecht oder eben Beruf versuchen Wähler auf die politische Haltung eines Kandidaten zu schließen. Wahlforscher nennen diese Abkürzungen "Heuristiken".

Das Problem dabei: Heuristiken sind keine besonders gute Entscheidungsgrundlage. Denn Faktoren wie Geschlecht oder Herkunft, die sich häufig am Namen ablesen lassen, sagen wenig über die tatsächliche politische Einstellung eines Kandidaten aus. Stattdessen greift der Wähler auf Vorurteile zurück.

So konnten Forscher zeigen, dass Stereotype in der Politik noch immer eine Rolle spielen: Frauen gelten als mitfühlend und konsensorientiert, Männer als ambitioniert und bestimmend. Männern wird öfter Kompetenz in der Verteidigungspolitik zugeschrieben, Frauen eher in der Sozial- und Familienpolitik.

Die meisten von uns wählen gerne Kandidaten, die uns selbst ähnlich sind

Die Wahlforscherin Ina Bieber konnte in einem Versuch nachweisen, dass Kandidaten mit ausländisch klingenden Namen seltener gewählt werden. Was Bieber und andere 2017 auch zeigen konnten: Wähler stimmen gerne für Kandidaten, die ihnen selbst ähnlich sind, in Alter, Geschlecht, Bildungsstand, sozialer Schicht und Migrationshintergrund.

Auch andere Kandidatenattribute, die wenig über die politische Haltung aussagen, spielen bei Wahlen eine Rolle: Kandidaten mit Doktortitel zum Beispiel schneiden etwas besser ab. Auch physische Attraktivität ist ein Plus, das haben inzwischen mehrere Studien nachgewiesen.

Der Faktor "Beruf" ist komplex – und wird sehr individuell bewertet

Doch was sagt das alles für die Bedeutung der Berufsbezeichnung aus? Eine These wäre, dass Wähler geneigt sind, Kandidaten, die ähnlichen Berufen wie sie selbst haben, hochzuwählen. Belegt ist das allerdings nicht. Denn Studien zu Wahlentscheidungsprozessen, die sich ausschließlich mit dem Faktor "Beruf" befassen, gibt es in Deutschland bisher nicht.

Solche Studien wären auch schwer durchzuführen, argumentieren Schmitt-Beck und Bieber übereinstimmend. Während ein Doktortitel oder das Geschlecht sich (meist) eindeutig bestimmen lassen (vorhanden/nicht vorhanden bzw. weiblich/männlich) und sich jeweils nur in zwei Richtungen auswirken können (positiv/negativ), ist die Heuristik "Beruf" viel komplexer. Zum einen sind Berufsbezeichnungen oft unkonkret, erklärt Wahlforscher Rüdiger Schmitt-Beck: Jeder Politiker kann selbst entscheiden, was er auf den Wahlzettel schreiben lässt. Es gibt also keine klar definierten Kategorien. Auf dem Wahlzettel können alle möglichen Berufe stehen.

Und: Die Vorlieben und Abneigungen sind sehr individuell. Während der eine Wähler Lehrer bevorzugt, streicht ein anderer diese womöglich systematisch durch (bei den bayerischen Kommunalwahlen ist das möglich), häufelt dafür aber Ingenieure nach oben.

Was US-amerikanische Studien aussagen

Immerhin: In den USA gibt es vereinzelt Studien, die sich damit befassen, wie sich der Beruf auf die Wahlentscheidung auswirkt. Diese zeigen aber vor allem eins: Dass es besser ist, eine Berufsbezeichnung auf dem Wahlzettel zu haben als nicht. Offenbar hilft diese einigen Wählern, die sich sonst von einer komplexen Entscheidung bei geringem Informationsstand überfordert fühlen würden, sich zu entscheiden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2005 brechen weniger Wähler einen Wahlvorgang vorzeitig ab, wenn ein Beruf angegeben ist.

Zudem konnte die Autorin der Studie nachweisen, dass der Beruf dann eine Rolle spielte, wenn er auf bestimmte Qualifikationen schließen ließ, die für die angestrebte Position wichtig waren. So wählten die Wähler für die Position des "State Treasurer" (etwa: Landesfinanzminister) in Kaliforniern eher einen Kandidaten, dessen Beruf auf Finanzkompetenzen schließen ließ. Auch wenn der Kandidat das angestrebte Amt bereits innehatte – sich also zum Beispiel als Bürgermeister wiederwählen lassen will – ist das bei Wahlen offenbar von Vorteil. Dieser Effekt ist auch für die deutschen Bundestagswahlen belegt, er wird als "Amtsbonus" bezeichnet.

Die Berufsangabe kann Diskriminierung mindern

Eine weitere US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass Zusatzinformationen wie der Beruf einen Kandidaten auch vor Diskriminierung bei der Wahl schützen können. So schnitten Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten selbst unter voreingenommenen Wählern besser ab, sobald eine Berufsbezeichnung neben ihrem Namen stand. Offenbar weil der Beruf Kompetenzen suggerierte, die alleine aufgrund der Herkunft oder des Geschlechts nicht angenommen wurden.

Die Autoren werteten das als gutes Zeichen, da Kandidaten den Faktor "Beruf" – im Gegensatz zu Herkunft oder Geschlecht – selbst beeinflussen können. Die Schlüsse, die Wähler aus der Berufsbezeichnung zögen, so die Autoren, hätten ihren Ursprung eher nicht in historisch gewachsenen Vorurteilen und Diskriminierungen.

Fazit: Welche Rolle die Berufsangabe des Kandidaten bei der Wahlentscheidung spielt, ist für deutsche Wahlen nicht erforscht. Insbesondere die Kommunalwahlen sind diesbezüglich schlecht untersucht. Generell gilt aber: Das wichtigste Kriterium bei der Wahl ist die Parteiidentifikation des Wählers.

Wenn diese abnimmt, nicht vorhanden ist oder Wähler unentschlossen sind, werden andere Faktoren wichtiger: Neben Sachthemen ist das auch die Person des Kandidaten. Insbesondere in Kontexten, wo die Wähler wenig über die Kandidaten wissen, spielen die Informationen auf dem Stimmzettel eine Rolle: Name, Geschlecht, Beruf. Anhand dieser Abkürzungen (sogenannte "Heuristiken") versuchen Wähler Schlüsse auf die ideologische Ausrichtung des Kandidaten zu ziehen. In der Realität werden dabei oft Stereotype aktiviert: Männer können Sicherheitsthemen besser, Frauen sind besser in der Sozialpolitik. Außerdem wählen viele Menschen gerne Kandidaten, die ihnen selbst ähnlich sind.

In den USA haben Studien vereinzelt den Effekt von Berufsangaben untersucht. Sie zeigen, dass Berufsangaben auch positive Auswirkungen haben: Wenn Berufe auf dem Stimmzettel stehen, brechen Wähler den Wahlvorgang seltener vorzeitig ab. Und: Berufsangaben können anti-diskriminierend wirken. Sogar voreingenommene Wähler stimmten häufiger für Frauen oder Kandidaten, die einer Minderheit angehören, wenn deren Berufsbezeichnung auf konkrete Qualifikationen für ein bestimmtes Amt schließen ließ.

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