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Kampf ums Saatgut

Kampf ums Saatgut

Immer weniger Konzerne bestimmen das Saatgut, das auf unseren Äckern wächst. Das geht zu Lasten der Artenvielfalt, monieren Kritiker. Daneben sind viele Fragen offen rund um Agro-Gentechnik. Von Andrea Koeppler

Über dieses Thema berichtet: BR Story .

Eine neue Getreidesorte bis zur Marktreife zu züchten, das dauert im Normalfall um die zehn Jahre und kostet gut eine Million Euro. In Deutschland gibt es immer weniger mittelständische Züchter. Wenige Großkonzerne beherrschen den weltweiten Saatgut-Markt. So übernimmt der deutsche Chemieriese Bayer für rund 60 Milliarden Euro den amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto. Bayer wird so zur weltweiten Nummer eins im Agrarchemie-Geschäft. 25 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes könnte das Unternehmen dadurch beherrschen - und das gleich mit ihrem ursprünglichen Geschäft, dem chemischen Pflanzenschutz, kombinieren. Die Übernahme wird nun von den Kartellbehörden in den USA und Europa geprüft.

Vielfalt in Gefahr?

Kritiker befürchten, dass die Vielfalt abnimmt. Und, dass nur noch wenig „regional-typisches“ übrig bleibt.

"Wir haben einen riesigen Verlust an Biodiversität von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Wenn man mal sieht, wie wenig Pflanzen überhaupt noch angebaut werden: 70 Prozent der europäischen Äcker werden von drei Sorten bestimmt - Mais, Weizen, Gerste. Und der Rest ist eher verschwindend klein. Das ist eigentlich ein sehr großes Risiko, das wir auf Dauer eingehen. Das heißt, wenn wirklich mal diese Pflanzen, durch gentechnische Defekte oder was auch immer, anfällig werden - und die Hochleistungssorten sind in der Regel sehr anfällig für Krankheiten – dann haben wir tatsächlich ein Problem. Das ist real." Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament

Wie soll man sonst die Menschen ernähren?

Das Argument von Konzernen wie Bayer ist klar formuliert: Die schnell wachsende Weltbevölkerung brauche die moderne Agrarindustrie.

"Die Ernährung der Weltbevölkerung ist eine riesige Herausforderung, eine riesige Aufgabe. Wenn wir bedenken, dass wir heutzutage schon 7,3 Milliarden Menschen haben, die dann bis 2050 auf ca. 10 Milliarden anwachsen werden. Da kann man sich vorstellen, welch zusätzlichen Nahrungsbedarf wir benötigen. Und wir als Firma sind natürlich interessiert, da unseren Beitrag zu leisten, über Pflanzenschutz, biologisch, chemisch, über Sorten, über Eigenschaften von Pflanzen, da mitzuhelfen, dass wir diese riesige Herausforderung bewerkstelligen. Und die Shareholder? Ja, die sind auch wichtig, wir sind ein wirtschaftliches Unternehmen, wir müssen das auch berücksichtigen." Helmut Schramm, Geschäftsführer CropScience Deutschland

Ein Schlupfloch für die Gentechnik?

Seit den 90er-Jahren wehren sich Landwirte gemeinsam mit Umweltschutzverbänden und Aktivisten gegen Gentechnik auf ihren Äckern. Mit Erfolg! Die Ausbringung von gentechnisch veränderten Organismen, die GVO, ist in Deutschland sehr streng reguliert, so dass sehr selten Anträge auf GVO-Freisetzung eingereicht werden. Derzeit werden in Deutschland keine GVO angebaut. Nur: Seit einigen Jahren gibt es neue Technologien – und da ist noch vieles ungeklärt.

Simulation natürlicher Mutation

Bei den sogenannten Genome-Editing-Verfahren werden in die DNA der Pflanze nicht artfremde Bestandteile eingesetzt – wie etwa Gene eines Bakteriums in die Mais-DNA, um die Pflanze resistent gegen Glyphosat oder den Maiszünsler zu machen, sondern es wird eine Art natürliche Mutation simuliert: Gezielt werden Gen-Sequenzen oder ganze Gene innerhalb einer Art ausgeschnitten und an anderer Stelle wieder in die Erbanlagen eingeführt. So erreicht man gewünschte Eigenschaften schnell – quasi eine Abkürzung für viele Jahre Züchtung. Darüber hinaus ist das Verfahren auch noch kostengünstig. Ideal also für Mittelständler? Nicht ganz, denn es gibt eine Krux: den Zugang zu diesen neuen Methoden. Die Erfinder z. B. von der Crispr-Cas-Technologie haben Grundlagenpatente auf ihr Verfahren angemeldet – und so wird die Anwendung in diese Richtung trotzdem Kosten verursachen. Wie viel, das ist noch nicht raus. Und auch nicht, wie genau die Rechtslage aussieht. Werden so erzeugte Pflanzen unter die GVO-Verordnung gestellt oder nicht?

Gentechnik führt nicht immer zum Erfolg

Dabei bringt Gentechnik nicht immer die gewünschten Erfolge – das zeigt das Beispiel USA: Hier ist das Ertragsniveau nach 25 Jahren Gentechnik niedriger als im gentechnikfreien Europa, so der Präsident des Bundessortenamtes Udo von Kröcher. Denn in Amerika muss die neue Züchtung nicht zwingend besser sein als die bisher Zugelassenen. Zeigt sich an dieser Entwicklung, dass es den Konzernen am Ende doch nicht so sehr um die Ertragssteigerung geht? Sondern vielmehr um den Verkauf ihrer Kombi-Produkte?

Klare Positionen fehlen

Und wie sieht es mit der rechtlichen Beurteilung der „Neuen Technologien" aus? Diese neuen Verfahren in der Gentechnologie benutzen keine artfremde DNA – deswegen ist umstritten, ob Pflanzen, die so entstanden sind, unter das Gentechnikrecht fallen oder nicht. Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Dr. Beate Jessel, sieht die Folgen der neuen Gentechnologie kritisch: Pflanzen, die mit Hilfe diese neuen Verfahren entwickelt wurden, seien nicht mit natürlichen Mutationen gleichzusetzen. Eine genaue Risikoprüfung im Vorfeld und eine Kennzeichnungspflicht seien unabdingbar. Eine klare Haltung der Bundesrepublik Deutschland gibt es dazu bislang nicht. Eine Entscheidung der EU-Kommission steht dem Grünen-Politiker Häusling zufolge ebenfalls aus.