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Bauer bringt Gülle aus

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Warum die Debatte um Gülle und Nitrat jetzt erst losgeht

Vor fast zwei Jahren hat die EU-Kommission Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser verklagt. Heute fällt das Urteil. Doch egal wie es ausgeht: Die Diskussion um die richtige Düngung in der Landwirtschaft ist kompliziert.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 extra am .

Eines vorweg: Grundsätzlich ist Gülle eine gute Sache! Kot und Urin der Tiere kommen als rein organischer Dünger wieder auf Felder und Wiesen, und das liefert den Pflanzen wertvolle Nährstoffe. Es kommt allerdings auf das richtige Maß an, und da waren die Vorgaben für die Bauern hierzulande offenbar zu lasch. Die Folge: Zu viel Dünger auf den Feldern. In manchen Regionen sickerte überschüssiger Stickstoff als Nitrat ins Grundwasser.

Vor allem Niederbayern und Franken leiden unter Nitrat

Bundesweit sind die Grenzwerte an 18 Prozent der Messstellen überschritten. In Bayern laut Landesamt für Umwelt an 5,5 Prozent, vor allem Niederbayern und Franken sind betroffen.

Wegen der zu hohen Nitrat-Werte hat die EU 2016 deshalb Deutschland verklagt. Heute nun wird das Urteil erwartet. Der Bayerische Bauernverband glaubt - wie viele Beobachter - schon zu wissen, wie es ausgeht. "Es geht vor dem Europäischen Gerichtshof um die alte deutsche Gesetzgebung, deswegen ist damit zu rechnen, dass hier tatsächlich Verstöße festgestellt werden", sagt Pressesprecher Markus Peters. Inzwischen sei aber die neue Düngeverordnung in Kraft, "und damit wurden viele Kritikpunkte der EU aus der Welt geschafft."

Tatsächlich gelten mittlerweile strengere Dünge-Regeln, im vergangenen Jahr hat sich die Politik nach jahrelangem Streit darauf geeinigt. Es gelten jetzt schärfere Dünge-Obergrenzen und die Sperrfristen für das Gülle-Fahren im Winter sind länger geworden. Ist damit die Klage in Luxemburg nun egal? Schließlich geht es da ja noch um die alten Regeln!

Studie: Neue Gülle-Regeln noch zu lasch

Nein, sagt die Wasserwirtschaft. In deren Auftrag kommt die Uni Kiel in einer Studie nämlich zu dem Schluss: Auch die neue Düngeverordnung ist noch zu lasch. Die Nitrat-Werte im Grundwasser werden sich kaum verbessern. Der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft sieht das - mit Blick auf die Umsetzung in Bayern - ähnlich, wie Geschäftsführer Detlef Fischer erklärt: "Da stellt man wieder dasselbe Phänomen fest, dass wieder nur die leichtesten Maßnahmen gewählt werden, nur das Mindeste letztendlich von der Landwirtschaft eingefordert wird und ja, das macht schon ein bisschen betroffen."

Bauernverband will "Flexibilität" statt strenger Vorschriften

Der Bauernverband sieht das anders. Dieses Jahr sei das erste, in dem sich die Bauern an die viel strengeren Regeln halten müssten. Was das für die Gewässerqualität bedeutet, müsse erst evaluiert werden, mit engmaschigen Prüfungen, so der Tenor. Trotzdem sammelt der Bauernverband jetzt schon Unterschriften, in der Hoffnung, dass die bayerische Staatsregierung nachbessert. In den meisten Forderungen geht es um - vereinfacht gesagt - weniger strenge Regeln für die Bauern. Der Verband nennt es lieber mehr "Flexibilität".

Dünge-Problem nicht überall gleich

Dass Flexibilität aber zumindest an einigen Stellen durchaus Sinn macht und auch die neuen Dünge-Regeln tatsächlich ihre Schwächen haben, zeigt ein Beispiel aus Bad Feilnbach. Auf einer Wiese am Ortsrand liegt frisch ausgefahrene Gülle. Das meiste davon ist Wasser, es steckt aber eben auch Stickstoff drin. Dafür gibt es jetzt eine Obergrenze: pro Hektar und Jahr maximal 170 Kilo. Weil hier an den Alpen das Gras aber sehr gut und schnell wächst, verliert der Boden mindestens 300 Kilo Stickstoff. Die Differenz muss mit Mineraldünger ausgeglichen werden - und das obwohl die Bauern genug Gülle hätten. Die bleibt nun übrig. Für Michael Hohensteiger vom örtlichen Maschinenring ein Irrsinn: "Das heißt, wir müssen die Gülle aus unserer Region rausfahren, in Nachbarlandkreise, die was aufnehmen können", sagt er. Und da seien manche Bauern schon bis zu 100 Kilometer unterwegs, um die Gülle wegzufahren.

In manchen Regionen also zu viel Gülle, woanders zu wenig - und das Nitrat-Problem könnte bleiben. Der Stoff versickert nur sehr langsam. Ob die neuen Dünge-Regeln wirken, zeigt sich erst in einigen Jahren. Und so lange wird auch die Gülle-Diskussion weitergehen - das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist da nur die nächste Etappe.