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Siemens-Umbau in der Kritik

In München findet heute die Hauptversammlung des Siemens-Konzerns statt. Die Veranstaltung dürfte alles andere als harmonisch ablaufen. Für Unmut in Belegschaft und Öffentlichkeit sorgt ein massiver Umbau des Konzerns. Von Stephan Lina

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Wirtschaft und Börse am .

Wenn Mitarbeiter von Siemens Harmonie suchen, dann blicken sie oft in die Vergangenheit. In eine Zeit, in der ein Job bei dem Münchener Elektronikriesen als Lebens-Stellung galt. Aus dieser Generation stammen noch die Alt-Siemensianer, die sich in einem Münchener Wirtsstüberl regelmäßig zum Stammtisch treffen: 

"Ich bin 1958 bei Siemens eingetreten. Und ich muss sagen: Es war wirklich schon ein gewisser Stolz, wenn man sagen konnte, dass man bei Siemens arbeitet… Damals war es so: Wenn man bei Siemens eingetreten ist, dann war der Kontakt innerhalb der Gruppen, in denen man gearbeitet hat, sehr, sehr eng. Und man hat sich wohl gefühlt. Deshalb war man in einer Siemens-Familie. Und deshalb fühlte man sich auch als Siemensianer." Alt-Siemensianer

Keine Rücksicht auf Traditionen

Diese Zeiten seien aber definitiv vorbei. Einer der Ex-Siemensianer erzählt, er selbst habe in seinen letzten zehn Jahren in der Firma vier große Umstrukturierungen mitgemacht. Und seither habe sich das Tempo noch einmal beschleunigt. Das Management nehme auch keine Rücksicht mehr auf Traditionen, auf Zusammenhalt, auf die Bedeutung, die ein Siemens-Werk für manche Regionen habe. Als Beispiel nennen sie die angekündigte Schließung des Standortes Görlitz:

"Heute heißt es eben: Der Bereich bringt nicht genug. Abstoßen, verkaufen, fusionieren. Und das war früher nicht so... Das ist heute eine andere Welt. Das hat sich in den letzten Jahren gewaltig verändert. Ich denke nur an Görlitz und solche Sachen. Man hat doch Verantwortung für die Leute, gerade dort im Osten. Und das jetzt platt zu machen, das halte ich für unverantwortlich." Alt-Siemensianer

Auch gute Auslastung hilft nichts

Knapp 7.000 Stellen will Siemens weltweit in seinen Sparten Kraftwerkstechnik und Antriebe streichen. Die Hälfte davon in Deutschland. Und eben insbesondere in Görlitz.Und eben insbesondere in . In einem Werk, das nach Angaben von Gewerkschaft und Mitarbeitern eigentlich gut ausgelastet ist. In einer ohnehin schon strukturschwachen Region, in der Siemens bisher einer der wenigen industriellen Arbeitgeber ist. Deswegen empörte sich auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, als Siemens im November das Aus für Görlitz ankündigte:

"Es kann nicht sein, dass hier trotz der großen Gewinne, die das Unternehmen einfährt, die Verantwortung für die Arbeitsplätze und die gesamte Industrieregion aufs Spiel gesetzt wird. Das kann nicht das letzte Wort sein. Es ist unverantwortlich, was hier Siemens macht. Von daher erwarte ich auch von Siemens, diese Entscheidungen zu revidieren." Martin Dulig (SPD), Wirtschaftsminister Sachsen

Kaeser und die Sprengkraft

Inzwischen scheint auch bei Siemens-Chef Joe Kaeser angekommen zu sein, welche gesellschaftliche Sprengkraft hinter dem Umbau steckt. In der vergangenen Woche deutete er beim Weltwirtschaftsforum in Davos jedenfalls an, man werde die Mitarbeiter in Görlitz nicht einfach fallen lassen. An grundsätzlichen strategischen Fragen aber will man bei Siemens nicht rütteln. Dazu gehört laut Kaeser und Personalchefin Janina Kugel auch, die Zusammensetzung des Unternehmens stets zu überprüfen und gegebenenfalls einzugreifen.

"Ein Unternehmen wie Siemens, wie viele andere Unternehmen auch ist in einem ständigen Umbruch. So verändert sich ja auch die Wirtschaft. Und es verändern sich ja auch die unterschiedlichen Geschäfte. Märkte verändern sich. Also die Frage, ob das irgendwann mal aufhört, die kann ich nur verneinen. Denn das Leben steht nicht still. Und die Entwicklung steht nicht still." Janina Kugel, Personalchefin Siemens

Immer neue Strategiepapiere

Für Siemens heißt das unter anderem noch in diesem Jahr: Die Medizintechniksparte geht an die Börse, das Eisenbahngeschäft wird mit Alstom aus Frankreich verschmolzen. Und es wird wieder einmal ein neues Strategiepapier geben. Weiterer Umbau nicht ausgeschlossen.