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Die Flagge des deutschen Touristikunternehmens Neckermann

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Millionenklage gegen ehemalige Neckermann-Führung

Die Pleite des einstigen Versandhandel-Riesen Neckermann könnte ein böses Nachspiel für ehemalige Geschäftsführer und Aufsichtsräte haben. Nach Recherchen von WDR und SZ verlangt der Insolvenzverwalter 19,1 Millionen Euro.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Wirtschaft und Börse am .

Sechs Jahre nach der Pleite des Versandhändlers Neckermann steht der früheren Führungsriege Ärger ins Haus. Nach Recherchen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" hat Insolvenzverwalter Michael Frege vor dem Landgericht Frankfurt eine Klage gegen 16 ehemalige Manager und Aufsichtsräte des Traditionsunternehmens eingereicht, das am Ende Neckermann.de hieß. Unter den Beklagten findet sich die Geschäftsführung um Ex-Chef Henning Koopmann ebenso wie Mitglieder des Aufsichtsrats. Das Landgericht bestätigte auf Anfrage die Klage. Ein Verhandlungstermin sei noch nicht festgelegt. Mit Michael Frege heftete sich einer der erfahrensten Insolvenzverwalter der Republik an die Fersen der einstigen Neckermänner. Frege begleitete Dutzende Unternehmenspleiten, unter anderem die der Deutschlandtochter des Bankhauses Lehman Brothers.

Millionenausgaben nach der Pleite

Im Fall Neckermann erhebt Frege gemeinsam mit seinem Kollegen Joachim Kühne schwere Vorwürfe. Das geht aus der Klageschrift hervor, die WDR und SZ vorliegt. Millionenzahlungen, die vom Management veranlasst wurden, sind demnach "nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar". In den Wochen zwischen dem 23. Mai und 18. Juli soll der Versandhändler noch Rechnungen in Höhe von 171,6 Millionen Euro bezahlt haben - so berechnete es ein Sachverständiger im Auftrag des Insolvenzverwalters. Knapp 20 Millionen Euro, so die Einschätzung des Gutachters, seien ohne "unmittelbare und gleichwertige Gegenleistungen" erfolgt. Auch für den Fortlauf des Geschäftsbetriebes seien diese Zahlungen nicht zwingend notwendig gewesen. Dieses Geld verlangt der Verwalter nun zurück. Strittig sind Kosten für Marktforschung und Werbung von mehr als acht Millionen Euro und IT-Projekte mit 1,8 Millionen. Für rechtswidrig hält der Insolvenzverwalter auch Überweisungen an die ausländischen Vertriebstöchter "Happy Size" über vier Millionen Euro. Mehr als eine Million Euro gab Neckermann laut Verwalter noch unnötig an Sondervergütungen und Abfindungen aus. Der Aufsichtsrat sei seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen.

Insolvenz zu spät gestellt?

Im Mai 2012 kämpfte Neckermann.de ums Überleben. Das Traditionsunternehmen gehörte da zu 100 Prozent Sun Capital, einem Finanzinvestor aus den USA. Jahrelang hatten die Amerikaner Verluste hingenommen. Zuletzt verbrannte Neckermann.de jeden Monat Millionen. Die Investoren stellten ein Ultimatum: Entweder verließen zahlreiche Mitarbeiter ohne Abfindung das Unternehmen oder Sun Capital werde den Geldhahn abdrehen. Betriebsräte der Neckermann-Logistik lehnten dies ab. Am 23. Mai 2012 scheiterten die Verhandlungen.

Die Insolvenzverwalter bestätigten die Klage, wollten sich zu Details jedoch nicht äußern. Auf die Anfrage von WDR und SZ wollten sich weder der Anwalt der Geschäftsführer noch der frühere Neckermann.de-Chef Koopmann zu der Klage äußern.

Hinter vorgehaltener Hand hieß es unter den Betroffenen, die Klage sei möglicherweise ein Versuch des Insolvenzverwalters, auf deren Managerhaftpflichtversicherung zuzugreifen. Tatsächlich hatten die Neckermann.de-Verantwortlichen eine entsprechende Police bei einem Versicherungskonzern. Sollten die Beklagten den Prozess verlieren, müsste wohl die Versicherung den Schaden zahlen.