Nach langem Hin und Her wird der chinesische Immobilienkonzern Evergrande abgewickelt, das entschied ein chinesisches Gericht nun endgültig. Die Insolvenzverwalter machen sich nun an die Arbeit und entwickeln einen Plan, mit dem die Schulden beglichen werden sollen.
Insgesamt belaufen die sich auf umgerechnet sagenhafte 280 Milliarden Dollar, etwa 22 Milliarden davon kommen von nicht-chinesischen Geldgebern. Welche Auswirkungen die Insolvenz auf die chinesische Wirtschaft hat, ist noch nicht abzusehen. Am Tag der Urteilsverkündung brachen die wichtigsten Immobilienaktien Chinas regelrecht ein.
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"Lehman-Moment" sehr unwahrscheinlich
Wenn der chinesische Immobilienmarkt abrutscht, hätte das zunächst - bis auf den erheblichen Vertrauensverlust - wohl keine direkten Auswirkungen auf die europäische oder gar die bayerische Wirtschaft. Dafür gibt es zu wenige Verbindungen mit dem Unternehmen und in der Branche. Mit einem "Lehman-Moment" oder einer neuen weltweiten Finanzkrise rechnet derzeit also kaum jemand.
Aber: Die Immobilienkrise in China könnte indirekt auch in Bayern spürbar werden. Nämlich dann, wenn das Immobilien-Finanzloch sich auf die gesamte chinesische Volkswirtschaft auswirkt. Um das einzuordnen, hilft ein Blick auf die Bedeutung der Immobilien in China.
Immobilien in China sehr wichtige Anlageform
Weil es in China nicht so viele der in westlichen Industrienationen klassischen Anlagemodelle an Finanzmärkten gibt, spielen Immobilien dort eine deutlich größere Rolle als hierzulande. Die chinesische Baubranche machte entsprechend zu Spitzenzeiten bis zu einem Drittel der Wirtschaftskraft aus. Im Durchschnitt legen chinesische Privatleute etwa zwei Drittel ihres Vermögens in Immobilien an. In Deutschland liegt dieser Wert gerade mal bei einem Viertel.
Aber weil immer mehr Bauunternehmen die Kosten nicht gedeckt bekommen, stehen landesweit Millionen Bauruinen herum, die nicht fertiggestellt werden. Weil aber die Abhängigkeit so groß ist, sind dort teilweise schon Menschen eingezogen, obwohl die Häuser noch nicht an Wasser und Strom angeschlossen sind.
Auch deswegen ist Evergrande zum Symbol für eine Vertrauenskrise in die Volkswirtschaft geworden, obwohl noch viele andere Bauunternehmen in China verschuldet sind. Allein wegen der Insolvenz von Evergrande rechnen Experten mit einem Rückgang des chinesischen Bruttoinlandsprodukts von etwa 0,5 Prozent.
Bayerns Wirtschaft wäre durch schwächelndes China-Geschäft betroffen
Wenn nun also Chinas Volkswirtschaft ins Schleudern gerät, dann könnte es auch in der Wirtschaftsbeziehung zu Bayern kriseln. Immerhin ist China nach den USA und Österreich Bayerns wichtigster Handelspartner. Vor allem beim Import von Waren nach Bayern spielt die Volksrepublik eine wesentliche Rolle: Laut dem Statistischen Landesamt hat China einen Anteil von 16 Prozent an den gesamten Importen der bayerischen Wirtschaft.
Schon zum Ende des vergangenen Jahres ist absehbar geworden, dass die Geschäfte mit China derzeit nicht besonders gut laufen. Die Exportrate von Bayern nach China war im vergangenen Jahr (Januar bis November) um 5,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Bei den Importen ging der Wert um 1,1 Prozent runter. Schon damals hatte die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) davon gesprochen, Bayerns Wirtschaft sehe zu, die "Absatzmärkte größtmöglich zu diversifizieren", um "einseitige Abhängigkeiten" zu vermeiden.
Evergrande ist nicht das größte Sorgenkind
Zwar ist Evergrande das berühmteste Sorgenkind der chinesischen Immobilien-Branche, aber nicht das größte. Der Marktführer Country Garden hat bereits im vergangenen Jahr einen Rekordverlust gemeldet: Umgerechnet fast 6,5 Milliarden Euro. Die Firma hatte bereits damals Zweifel daran geäußert, ob sie überhaupt würde weiterarbeiten können. Etwa 700.000 Familien haben hier Geld investiert, das sie auf absehbare Zeit nicht zurückbekommen werden. Auf diesen Fall blicken ausländische Investoren deutlich sorgenvoller als auf Evergrande: Drei Viertel der Schulden von Country Garden stammen von ausländischen Firmen.
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