Dachdecker
Bildrechte: picture alliance / Winfried Rothermel | Winfried Rothermel

Dachdecker in Freiburg, 2022

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"Rechnet sich in 265 Jahren": Grenzen der Immobiliensanierung

Immobilieneigentümer müssen einen Sanierungsfahrplan erstellen lassen, wenn sie für energetische Maßnahmen Fördermittel beantragen wollen. Doch manche der geforderten Investitionen sind nicht rentabel - die Investitionen sprengen häufig jedes Budget.

Über dieses Thema berichtet: Plusminus am .

Die für Sanierung zuständigen Energieberater achten vor allem auf das Energiesparpotential. Doch einige Ausgaben rechnen sich erst nach langer Zeit. Nach sehr langer Zeit, wie das ARD-Magazin "Plusminus" recherchiert hat.

Sanierung rechnet sich "nach 265 Jahren"

Stefan Bender wohnt zusammen mit seinen Eltern in einem gepflegten Haus auf dem Land, Baujahr 1970. Erst vor kurzem hat er eine neue Heizung eingebaut und auf dem Dach eine Solaranlage installiert. Seinen Angaben nach lagen die Ausgaben bei mehr als einem Jahreseinkommen. Da habe er dann schon in die Rücklagen für das Alter zurückgreifen müssen.

Von einem Energieberater hat er sich einen Sanierungsfahrplan erstellen lassen, der fünf Maßnahmenpakete für mehr Energieeffizienz vorschlägt. Gesamtkosten nach Abzug der ausgewiesenen Fördermittel: gut 180.000 Euro. Für die Umsetzung fehlt Stefan Bender das Budget - und auch die Motivation. Ihm wurde eine energetische Sanierungsmaßnahme vorgeschlagen, die sich erst in 265 Jahren rechnen würde. In seinen Augen ist das einfach nur verrückt, wie er sagt.

Experten kritisieren Sanierungsfahrpläne

Das gemeinnützige Unternehmen Co2online in Berlin soll herausfinden, ob solche Fälle häufiger vorkommen. Finanziert wird die Beratungsgesellschaft unter anderem aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Team kennt sich mit Wirtschaftlichkeitsberechnung aus, wie Sprecher Alexander Steinfeldt erklärt. Man erhebe Daten von realen Gebäuden in Deutschland und habe eine Datenbank aufgebaut, die es so in Deutschland noch nicht gebe. Da seien über eine Million Gebäudedaten enthalten und man könne dadurch genau sagen, was Sanierungsmaßnahmen bringen.

Steinfeldt hat mehrere Sanierungsfahrpläne unter die Lupe genommen und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Bei einem Beispiel rechnen sich Fenstertausch und Lüftungsanlage nach 320 Jahren - eine Dachdämmung sogar erst nach 640 Jahren. Selbst bei steigenden Energie- und CO₂-Preisen amortisieren sich einige Maßnahmen erst nach mehr als 100 Jahren. In Relation zur Energieeinsparung sind die Investitionskosten einfach zu hoch. Derzeit müssen Immobilieneigentümer bei der Energieberatung nicht darüber aufgeklärt werden, ob sich Sanierungsmaßnahmen auch finanziell lohnen.

Wahl zwischen unrentabler Sanierung oder Wertverlust

Stefan Bender macht das fassungslos. Kein normal denkendes Unternehmen würde eine Investition tätigen, die sich erst in hunderten von Jahren rechnet. Er wird erstmal kein weiteres Geld für Energieeffizienz ausgeben – und das drückt den Preis für sein Haus. Laut der Wertermittlung seiner Hausbank ist der Wert im Vergleich zum Vorjahr um 100.000 Euro gesunken, weil es nicht mehr nach dem aktuellen Stand energetisch top saniert ist.

Immobilieneigentümern bleibt anscheinend nur die Wahl zwischen Wertverlust auf der einen und hohen Investitionen in zum Teil völlig unrentable Sanierungsmaßnahmen auf der anderen Seite.

Dieser Artikel ist erstmals am 30. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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