Passt nicht mehr zum Selbstbild: Die Birkenstock-Sandale soll an die Füße der Reichen gelangen. Für die Händler bedeutet das Einbußen.
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Passt nicht mehr zum Selbstbild: Die Birkenstock-Sandale soll an die Füße der Reichen gelangen. Für die Händler bedeutet das Einbußen.

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Birkenstocks Börsengang bereitet Bayerns Schuhhandel Sorgen

Die Lieblingssandale der Deutschen geht an die Wall Street. Für die Kundschaft kann das bedeuten, dass Birkenstock teurer wird. Für den stationären Einzelhandel aber entsteht eine Lücke, die sich nur schwer schließen lässt.

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Die einst hessische Schuhfirma Birkenstock geht an die Börse. Hinter diesem Wandel steckt der Luxus-Investor LVMH, eine amerikanisch-französische Beteiligungsfirma, die auch Louis Vuitton, Fendi oder Dior unterhält. Mit dem Übergang vom Familienbetrieb ins Luxussegment 2021 sind die Schuhe deutlich teurer geworden. Mittlerweile kosten sie locker über 100 Euro und sind auch nicht mehr überall zu bekommen. Diese Internationalisierung macht dem örtlichen Schuhhandel echte Sorgen. Denn Birkenstock war lange eine wichtige Einnahmequelle.

Verknappung auf Kosten der kleinen Händler

Nein, er wolle nicht, dass das aufgenommen wird, sagt der Schuhhändler mit einem gequälten Blick in sein Schaufenster. Dabei hat er sich gerade eine halbe Stunde lang aufgeregt über Birkenstock und deren Umgang mit den Händlern. Kleine und mittlere Schuhhändler in den Fußgängerzonen wie er hätten die Marke groß gemacht, so sähen es auch viele Kollegen aus der Schuhbranche. Aber jetzt müssten sie betteln, um den einstigen Gesundheitsschuh überhaupt noch verkaufen zu können. Verknappung auf Kosten der kleinen Händler sei das. Und es bereite ihm echte Sorgen.

Denn noch stehen sie zwar da, in Reih und Glied: Birkenstock-Sandalen aller Größen und Farben, mittlerweile längst zum Lifestyle-Produkt avanciert. Da kamen erst die Touristinnen und Touristen aus den USA und aus Australien, die das Original 'made in Germany' für weniger Geld als zu Hause mitnehmen wollten. Einen Schuh, der nach Bodenständigkeit und Zurück-zur-Natur aussieht.

Wer nicht passt, wird nicht beliefert

Das ging eine Weile sehr gut, man verließ sich darauf. Und dann kam in diesem Sommer noch der Barbie-Film oben drauf, der der Sandale einen echten Schub verliehen hat. Auch in seinem Laden ist sie im zarten Rosé zu bekommen, genau so, wie Barbie sie im Film trägt. Aber mit dem Hype kam noch etwas anderes, erzählt der Schuhhändler, der sich eigentlich auf Gesundheitsschuhe und ältere Zielgruppen spezialisiert hat: Ein Brief. In dem Brief stand, Birkenstock sortiere seine Händler nach und nach aus. Wer nicht genügend Umsätze macht oder nicht zum Image passt, der wird perspektivisch nicht mehr beliefert.

Und natürlich finde er das eine Schweinerei, sagt der Händler. Aber in seinem Laden lagern auch um die 10.000 Paar Birkenstock und er ist vorerst darauf angewiesen, dass das Unternehmen ihm weiter wohlgesonnen ist. Sonst ist sein Schaufenster nämlich nicht mehr so bunt und anziehend für Passanten, die an ungewöhnlich warmen Tagen noch schnell eine passende Sandale brauchen. Deswegen will er seinen Namen und Standort nicht preisgeben.

Birkenstock hat teilweise 90 Prozent des Umsatzes ausgemacht

Dieses Dilemma haben viele Schuhhändler. Sie verkaufen seit Jahrzehnten Birkenstock-Schuhe, teilweise machte das 90 Prozent ihres Umsatzes aus. Vor allem dort, wo sie eine gute Innenstadtlage haben und idealerweise noch viele Touristen vorbeikommen. Aber seit einigen Jahren werden die Schuhe nicht mehr zuverlässig geliefert, und wenn doch, dann irgendwelche Paare und nicht die, die bestellt wurden. Das stimme auch, heißt es von der Firma. Allerdings liege das nicht an vorsätzlicher Aussortierung, sondern daran, dass die Nachfrage seit Jahren höher ist als das Angebot. Deshalb müssten alle Händlerinnen und Händler nehmen, was sie kriegen können.

Axel Schöll kennt das und hat sich in seinen Schuhläden schon vor Jahren von Birkenstock verabschiedet. Schöll engagiert sich beim Handelsverband Bayern und in der FDP in Schweinfurt. Er sagt, vor gut zehn Jahren habe Birkenstock begonnen, seine Waren vermehrt ins Ausland zu liefern. Der ursprüngliche Standort Deutschland wurde vernachlässigt – vergleichsweise zu gering war die Kaufkraft hier. "Damals hat mich das schon wütend gemacht", so Schöll. "Aber darüber bin ich inzwischen hinweg." Ein guter Händler handle nun mal und in diesem Fall würde das bedeuten, sich nach Alternativen "im großen Fischteich der Bio-Tieffußbett-Pantoletten" umzuschauen.

Birkenstock-Strategie ist gut für die Konkurrenz

Für Birkenstocks Konkurrenz bedeutet der Börsengang also auch etwas Positives. Denn dort, wo Birkenstock künftig in den Schaufenstern fehlt, dürften andere Sommerlatschen hineinwachsen. Axel Schöll meint sogar, dass es da durchaus hochwertigere Alternativen gebe, die auch weniger kosteten.

Diese Option ist für den enttäuschten Händler aus dem Gesundheitsschuh-Bereich noch nicht realistisch. Im Gegenteil: Gerade hat er seinem Vertriebspartner bei Birkenstock angeboten, auch die Kinderschuhe ins Sortiment aufzunehmen, obwohl er mit Kinderschuhen eigentlich nichts zu tun hat. Einfach, um die Marke bei sich im Laden halten zu können.

  • Zum Artikel: "Einkaufsstraßen in der Krise: Das Ladensterben geht weiter"

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