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Billiger Wohnen in Großstädten: Wohl nur ein Wunschtraum

Das Frühjahrsgutachten der sogenannten Immobilienweisen ZIA macht Hoffnung auf sinkende Mieten. Denn: Für die sieben teuersten deutschen Städte werden erstmals stark fallende Kaufpreise vorhergesagt. Was ist dran? Eine Einschätzung von Felix Lincke

Einen Rückgang der Wohnungspreise insbesondere in München und Berlin um real ein Viertel bis ein Drittel innerhalb der kommenden vier Jahre: so etwas hat es noch nie gegeben, es wäre die bisher schwerste Immobilienkrise. 2017 sind die Preise noch kräftig gestiegen und müssten Ende dieses Jahres geradezu abstürzen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA hält dieses Szenario für möglich.

Neubauwohnungen trotzdem immer teurer

Realität ist aber, dass Neubauwohnungen aus unterschiedlichen Gründen immer teurer werden. Sie können oft nur gekauft und nicht gemietet werden. Stadtplaner wie in Frankfurt versuchen verzweifelt das zu ändern. Fertiggestellte Eigentumswohnungen müssten mit Verlusten verkauft werden, damit der ZIA Recht behält. Onlineportale wie Immobilienscout24 stellen seit Jahren fest, dass viele Eigentümer sich mit Verkäufen zurückhalten. 

Entspannung nur im Luxussektor

Der Handel ist deshalb, wie Makler klagen, trotz hoher Preise zum Teil rückläufig - es fehlt schlicht an Angeboten. Die Nachfrage wird aber dort hoch bleiben, wo Arbeitsplätze entstehen. Eine mögliche Preisblase, von der auch die Bundesbank spricht, bezieht sich auf Luxuswohnungen, die zum Verkauf stehen. Günstige Mietwohnungen, schon gar in München, sind nicht gemeint.

Angst vor Altersarmut und niedrige Zinsen als Preistreiber

Generell hält auch die Bundesbank die Immobilienkäufe in Deutschland für solide mit viel Eigenkapital finanziert. Auch bei steigenden Zinsen wäre deshalb nicht sofort mit einer Welle von Notverkäufen zu rechnen, weil Immobilienfinanzierungen in großer Zahl zusammenbrechen würden. Viele Anleger sehen wegen der allgemein niedrigen Renditen am Kapitalmarkt derzeit keine sicheren Alternativen zur Immobilie. Andere sehen die eigene Wohnung als Vorsorge und Absicherung fürs Alter. An solchen langfristigen Einstellungen wird sich so schnell nichts ändern. Sie sind ein Grund dafür, warum der Immobilienmarkt sich nur langsam verändert.

Verdopplung der Preise - Mieten um ein Viertel teurer

Immer weniger aussagekräftig ist dagegen der Vergleich von Kaufpreisen und Miethöhen geworden. Das Jahresgutachten der Immobilienweisen, das Empirica für den ZIA erstellt hat, beruft sich vor allem darauf, dass die Mieten nicht so schnell gestiegen sind wie die Preise, die deshalb zu hoch seien. So hätten sich in München die Kaufpreise in zehn Jahren mehr als verdoppelt, während die Mieten nicht einmal um die Hälfte gestiegen seien. Das Gutachten verkennt das Hauptproblem, dass gerade die teuersten neuen Wohnungen zunächst vom Eigentümer selbst genutzt und nicht vermietet werden.

Otto-Normal-Mieter ziehen an den Stadtrand

Für Mieter bleiben häufig nur unattraktive Randlagen und ältere Wohnungen übrig, deren Wert bei einem solchen Anstieg der Mieten trotzdem stark gestiegen ist. Diese Bestandswohnungen wurden früher zu einem viel geringeren Preis angeschafft und bieten jetzt hohe Renditen.

Daran hat auch der leichte Anstieg der Hypothekenzinsen nicht viel geändert. Der Boom ging 2016 und 2017 nahezu ungebremst weiter. Die meisten anderen Experten erwarten, dass es im laufenden Jahr zumindest zu einer Beruhigung kommt, dass Kaufpreise und Mieten in den Ballungsräumen nicht mehr so stark steigen.

Wohnungsnot im Süden - Leerstand im Osten

Im ländlichen Raum ist das ohnehin nicht der Fall. Dort wo Arbeitsplätze und Bevölkerung abwandern, fallen Preise und Mieten schon seit langem. Der Immobilienmarkt ist deshalb gespalten. Abseits von München, Nürnberg, Augsburg und den anderen boomenden Städten gibt es einige Regionen im Norden und Osten von Deutschland sowie in Nordrhein-Westfalen oder Nordhessen, wo der Wohnraum günstig ist und viele Häuser leer stehen. Ein Immobilienkauf kann dort zum Risiko werden; denn mit der Nachfrage werden in den schwächeren Regionen auch die Preise weiter zurückgehen.