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Berichterstattung über Antisemitismus

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Wie über Antisemitismus berichten und warum geht es oft schief?

Gibt es wirklich einen neuen, muslimischen Antisemitismus in Deutschland? Und wie sollen Journalisten und Journalistinnen über dieses Thema berichten, ohne rechte Stereotype zu bedienen. Von Günter Herkel

Über dieses Thema berichtet: BR24 Medien am .

Der Antisemitismus-Vorwurf und die Furcht vor einer drohenden „Islamisierung“ - für den Politikwissenschaftler David Ranan ist das eine explosive Mischung. 

"Wir haben hier zwei Herde. Der eine Herd ist die deutsche Sensibilität von allem, was jüdisch ist. Der zweite Herd ist die Angst vor Fremden, die Angst vor Muslimen, und wenn die beiden zusammen in einen Topf geschmissen werden, können sie beinah nichts anderes zu als zu explodieren. Und das tun sie dann auch regelmäßig." David Ranan, Politikwissenschaftler

Erschreckende Unkenntnis

Ranan ist Israeli mit deutschen Wurzeln und Autor des Interview-Bandes "Muslimischer Antisemitismus – eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?“ Ranans Befund: Nein, eine solche Gefahr bestehe nicht, sie werde zu Unrecht von interessierten Kreisen an die Wand gemalt. Er registriert sowohl bei seinen Interviewpartnern als auch bei vielen Journalisten eine erschreckende Unkenntnis über alles, was mit jüdischem Leben zu tun habe. Das fange schon damit an, dass die meisten die Begriffe Juden und Israelis verwechselten oder synonym verwendeten. Kaum jemand könne eine korrekte Definition von “Zionismus“ geben oder erklären, was eigentlich orthodoxes Judentum ausmache.

"Es gibt ein enorm großes Halbwissen und Nichtwissen, spannenderweise und gefährlicherweise auch bei Menschen, für die das Thema so wichtig ist." David Ranan, Politikwissenschaftler

Schlechte Auswahl der Talk-Gäste?

Auch Talkrunden wie “Anne Will” trügen nicht gerade zur Behebung solcher Defizite bei. Dafür sorge schon die Auswahl der Experten. Warum nicht anstelle eines Volker Kauder, der über "jüdische Mitbürger“ schwafelt, mal einen Islamwissenschaftler in die Runde bitten?

Kein neues Phänomen

Auf keinen Fall dürfe Antisemitismus aber als ein neues Phänomen dargestellt werden. Etwas, das erst mit der Ankunft von Hunderttausenden geflüchteten Muslimen sozusagen "importiert“ worden sei, das findet die Initiative "Neue Deutsche Medienmacher."

"Tatsächlich, glaube ich nicht, dass irgendein Jude in Deutschland bestätigen würde, dass bis 2015 alles hier Friede-Freude-Eierkuchen war und jetzt erst Probleme gekommen sind. Und das ist unsere Aufgabe als Journalisten, da noch mal hinzukucken und eben klar zu stellen: Es gibt verschiedene Formen, und die gab es schon immer. Und wenn wir jetzt neue Probleme haben, dann die nicht singulär darzustellen." Ferda Ataman, Neue deutsche Medienmachen

Stereotyp der Gegnerschaft

Sagt Ferda Ataman von den "Neuen deutschen Medienmachern", zugleich Sprecherin der "Neuen Deutschen Organisationen", einem Netzwerk von mehr als 100 Initiativen, die sich bundesweit für Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe einsetzen. Dazu gehört auch die Salaam-Schalom-Initiative, die speziell ein solidarisches Miteinander von Muslimen und Juden anstrebt. In der deutschen Öffentlichkeit passt diese Erzählung nicht ins lieb gewonnene Stereotyp von hasserfüllter Gegnerschaft zweier Minderheiten.