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Schwarze Person vor Bits und Bytes

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Social Bots im Wahlkampf

Die meisten Parteien waren sich vor der Bundestagswahl einig: Social Bots, also automatisierte Konten in sozialen Netzwerken, sind im Wahlkampf tabu. Report München recherchierte: Ein Bundestagskandidat der Freien Wähler hielt sich nicht daran.

Über dieses Thema berichtet: report MÜNCHEN am .

Eine Arbeitsgruppe der Justizminister der Länder kommt in einem aktuellen Bericht zu einem eindeutigen Fazit: Social Bots hätten "erhebliches Manipulationspotenzial“, die automatisierten Konten in sozialen Netzwerken könnten das "demokratische Mehrheitsprinzip beeinträchtigen". Denn: Hinter Social Bots stecken keine Menschen, sondern eine Software. Getarnt - beispielsweise als gewöhnliches Twitterkonto - verbreiten sie automatisch Nachrichten, oft Hunderte am Tag. Wer ein Botnetz, also eine Sammlung mehrerer solcher Schein-Konten steuert, kann den Eindruck erwecken, besonders viele Menschen würde eine bestimmte Meinung teilen.

Bundestagskandidat betrieb Botnetz

Deshalb hatten sich vor der Bundestagswahl viele Parteien gegen Social Bots ausgesprochen – auch die Freien Wähler, die sich für eine Kennzeichnungspflicht einsetzen. Damit zumindest ersichtlich wird, ob ein User es mit einem Menschen oder einer Maschine zu tun hat.

Aber ein Bundestagskandidat der Freien Wähler aus Niedersachsen hat nach Recherchen des ARD-Politmagazins report München diese Haltung der Partei unterlaufen. Forscher der Universität Münster sind auf ein Botnetz aus 20-Schein-Profilen aufmerksam geworden, das der Politiker während und nach dem Bundestagswahlkampf betrieben hat. Analysen der Wissenschaftler zeigen, dass der Bundeskandidat so viele hundert Nachrichten verbreitet hat, um Wähler zu gewinnen, sagt Christian Grimme.

"Diese Profile sehen aus wie Accounts der Freien Wähler, eines regionalen Verbands oder von einzelnen Politikern. Nirgendwo steht, dass es sich um automatisierte Konten handelt." Christian Grimme, Universität Münster

Mehr zum Thema heute Abend 21:45 Uhr in report München / Das Erste

Professor Simon Hegelich erforscht an der Hochschule für Politik in München seit Jahren die Auswirkungen von Social Bots. Er geht mit dem Bundestagskandidaten hart ins Gericht.

"Da muss man politikwissenschaftlich sagen: Das ist natürlich ein Desaster. Es zerstört die Glaubwürdigkeit des Politikers. Problematisch ist an der Stelle, dass man es mit Täuschungsabsicht macht. Wenn man einfach sagen würde, ich benutze hier Bots, und die verbreiten meine Nachricht - dann könnte man ja kaum was dagegen sagen. Wenn ich aber auf der einen Seite sage, politisch halte ich das nicht für richtig und das gleichzeitig selber unterlaufe - da ist die Einschätzung ziemlich eindeutig." Simon Hegelich, Professor Hochschule für Politik

Michael Osterloh, der betroffene Bundestagskandidat der Freien Wähler, gibt auf Anfrage von report München alles zu. Gemeinsam mit seinem Sohn habe er "diese Accounts selbstständig eingerichtet, um unsere Partei im Wahlkampf zu unterstützen". Inzwischen habe er die Konten gestoppt. Die Freien Wähler schreiben auf Anfrage, den Einsatz des Botnetzes verurteile die Partei aufs Schärfste, zudem sei der Kandidat gerügt worden.

Grüne fordern Kennzeichnungspflicht für Bots

Es gäbe wohl ein Mittel, um Social Bots unter Kontrolle zu bringen. Bereits vor über neun Monaten hatten die Grünen im Bundestag gefordert, eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots einzuführen. Im Interview mit report München bekräftigt Konstantin von Notz die Forderung.

"Man muss dann schon als Gesetzgeber reagieren, diese Transparenzverpflichtung wäre ein relativ unkomplizierter erster Schritt." Konstantin von Notz

Die Arbeitsgruppe der Justizminister der Länder macht in ihrem Bericht vom Herbst einen ähnlichen Vorschlag. Konkret fordert sie, dass sowohl Plattformen wie Twitter als auch die User selbst angeben müssen, wenn es sich um einen Bot handelt. Das Bundesjustizministerium schreibt auf Anfrage, es prüfe die Umsetzung dieses Vorschlags derzeit noch.