Der argentinische Präsident Javier Milei auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos
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Der argentinische Präsident Javier Milei auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos

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KI macht's möglich: Milei-Rede in Davos geht viral

Normalerweise gehen Politiker-Reden aus Davos nicht viral. Dass dies beim argentinischen Präsidenten Javier Milei anders ist, liegt an Memes, einer Ideologie aus dem Silicon Valley - und künstlicher Intelligenz.

Politiker-Reden vom Weltwirtschaftsforum in Davos gehen normalerweise nicht viral. Vielleicht gibt es ein bisschen Berichterstattung, wenn sich Obama oder Trump oder andere große Namen in Davos zu Wort melden - aber nicht Millionen Views in den sozialen Medien. Schon gar nicht gibt es die für ein Staatsoberhaupt eines lateinamerikanischen Landes. Möchte man meinen.

Mileis Rede in Davos wird zum Internetphänomen

Aber beim argentinischen Präsidenten Javier Milei läuft eben manches anders als bei anderen Staatsoberhäuptern. Mileis Rede in Davos - die erste Auslandsreise des kürzlich gewählten libertären Politikers - verbreitete sich in den letzten Tagen in Windeseile im Internet. Grund dafür dürfte ihr unkonventioneller Inhalt ebenso sein wie der Fakt, dass automatisierte KI-Übersetzungstools im Mainstream des Internets angekommen sind.

Erste KI-Synchronisation, die viral geht

Das Video der Rede mit den meisten Views verbreitete sich nicht auf YouTube, sondern auf X, vormals Twitter: Um die 25 Millionen mal wurde es gesehen. Aber: Obwohl Milei seine Rede in argentinischem Spanisch hielt, spricht er in dem viralen Video englisch - in seiner eigenen Stimme und mit charakteristischem argentinischen Akzent. Es handelt sich um eine KI-generierte Übersetzung.

Das Tool dahinter nennt sich HeyGen und sorgte bereits letztes Jahr für Aufsehen innerhalb der Tech-Bubble. Das Besondere: Nicht nur bleibt der Klang von Mileis Stimme erkennbar - auch seine Lippenbewegungen passt das Programm so an, dass es wirkt, als hätte der argentinische Präsident die Rede auf Englisch gehalten. Einzig der stellenweise leicht monotone Duktus verrät noch die KI-Software.

KI-Synchronisation vermutlich kein Zufall

Dass Milei als erster Politiker als KI-Version viral geht, dürfte kein Zufall sein. Der libertäre argentinische Präsident erfreut sich großer Beliebtheit in der KI-affinen Tech-Bubble. Der sogenannte "Techno-Utopismus" ist zentraler Bestandteil der Szene. Gemeint ist die Überzeugung, dass technologischer Fortschritt und Innovation grundsätzlich gut sei und sogar notwendig, um die größten Probleme der Menschheit zu bewältigen.

Techno-Utopisten verweisen oft auf vergangene positive Entwicklungen durch Technologie, wie etwa fallende Kindersterblichkeit durch medizinische Fortschritte oder die Entwicklung von Solarzellen. Milei bezeichnete sich bereits 2019 im argentinischen Fernsehen als Techno-Utopist und ist beliebt bei vielen Unternehmern und Computer-Ingenieuren im Silicon Valley - den "Early Adoptern" von KI-Tools wie etwa HeyGen. Auch der Account, der die KI-Übersetzung erstellt und hochgeladen hat, ist ein KI-Gründer aus dem Valley.

Milei und die Memes

Auch Elon Musk gibt sich als Fan von Javier Milei, teilte sowohl die KI-synchronisierte Rede als auch zahlreiche Milei-Memes über seinen X-Account. Und Memes gibt es viele zu Milei. Auch dies kein Zufall: Der argentinische Politiker bedient sie gezielt. Mit wilder Frisur, Koteletten und Kettensäge machte er bereits im Wahlkampf auch außerhalb Argentiniens von sich reden.

Die "Memehaftigkeit" Mileis ist eine Parallele zu Donald Trump, der in der frühen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 wohl mehr Memes produzierte als je zuvor ein Politiker. Tatsächlich werden Trump und Milei oft miteinander verglichen. Kritiker werfen Milei vor, einen plumpen Rechtspopulismus à la Trump zu vertreten. Kein Wunder: Auch in der Rede auf dem Weltwirtschaftsforum wettert der Argentinier gegen den "radikalen Feminismus".

Der argentinische Trump? Nicht ganz

Doch politisch liegen Welten zwischen Milei und Trump. Während Trump verspricht, bei einer Wiederwahl den amerikanischen Staatsapparat extrem auszubauen mit 50.000 neuen, ihm loyal ergebenen Staatsdienern und als starker Mann mit Exekutivgewalt mit seinen politischen Gegnern aufzuräumen, beschwört Milei den Minimalstaat. Der libertäre Ökonom schafft Ministerien ab, reduziert die Anzahl der Staatsbediensteten massiv und sieht sich in der Tradition von Thatcher und Reagan.

Auch stilistisch gibt es einige Unterschiede zwischen Milei und Trump. Trump, der notorische Bücherfeind, ist bekannt für simple Slogans. Mileis Rede in Davos hingegen wirkt stellenweise eher wie ein akademischer Vortrag, bezieht sich explizit auf ökonomische Denkschulen wie die Neoklassik oder den Keynesianismus. Die argentinische Zeitung "Pagina 12" merkt spöttisch an, Milei habe in Davos einfach einen seiner alten TED-Talks aus der Schublade geholt.

Doch am Ende lässt es sich Milei nicht nehmen, auch in Davos Material für neue Memes zu produzieren. Seine Catch-Phrase "Viva La Libertad Carajo!" ("Es lebe die Freiheit, verdammt!"), präsent in zahlreichen Memes und Videos, platziert er als Ausrufezeichen am Schluss der Davos-Rede. Es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der medienaffine, libertäre Feuerkopf im Internet viral geht.

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