Arbeiter kehrt Baustellen mit Glasfaserkabel
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Glasfaserausbau

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Glasfaser-Chaos – Pleiten und Pannen sorgen für Frust

Die Beschwerden über Anbieter von Glasfaser-Internet häufen sich. Grund ist ein Wettlauf der Unternehmen um die Kundschaft. Dabei wird viel versprochen und manchmal wenig gehalten. Und so kommt es immer wieder zu haarsträubenden Szenen.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft kompakt am .

Ausgangspunkt für diese Recherche ist ein skurriler Fall in Isen im Landkreis Erding, über den wir berichtet hatten. Dort wurde Kundinnen und Kunden zwar einen Glasfaseranschluss ins Haus gelegt, aus dem kam aber über viele Monate keine Internet-Versorgung. Das Unternehmen, das dieses Problem zu verantworten hatte, war die Deutsche Glasfaser. Viele Userinnen und User berichteten uns, als Reaktion auf den Artikel, über ähnliche Probleme und immer wieder wurde dieses Unternehmen genannt.

Ist Deutsche Glasfaser also das schwarze Schaf in der Branche? Soviel gleich vorweg: Es läuft viel schief, aber nicht nur bei diesem Konzern. Und die Probleme, die bei vielen Glasfaser-Anbietern auftauchen, treiben die Kundschaft nicht selten an den Rand der Verzweiflung.

Ein Hauch von Goldgräberstimmung in der Branche

Während das Glasfaser-Geschäft in Deutschland lange Zeit als völlig unlukrativ galt, herrscht seit ein bis zwei Jahren eine Art Boom. Es hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass sich Kupferkabel nicht mehr weiter beliebig "aufpeppen" lassen. Damit alle Haushalte etwa Filme anschauen, Videokonferenzen führen und Online-Games spielen können, braucht es über kurz oder lang im gesamten Land Glasfaser.

Diese Erkenntnis hat viele neue Firmen und Investoren auf den Plan gerufen. Neben den großen Unternehmen wie Deutsche Telekom und der Deutsche Glasfaser versuchen auch zahlreiche teils kleinere Unternehmen ein Stück vom Glasfaser-Kuchen abzubekommen. Und da der Staat zudem massiv den Ausbau fördert, herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung. Die wachsende Konkurrenz sorgt dabei für zunehmend aggressive Vertriebsmethoden.

Drückerkolonnen arbeiten mit vielen Tricks

Die Verbraucherzentrale Niedersachsen berichtete dem Bayerischen Rundfunk von einer Familie, der der Mitarbeiter eines Glasfaseranbieters an der Haustür sagte, dass zukünftig kein Internet mehr zur Verfügung stehe. Das alte Kupferkabel habe ausgedient. Ein Glasfaseranschluss sei jetzt die Lösung. Die Familie glaubte dem Mann und schloss einen zudem sehr teuren Glasfaservertrag ab. Das ist kein Einzelfall.

Bei den Verbraucherzentralen häufen sich Beschwerden über Außendienstmitarbeitende, die ungebeten zu Hause vorbeischauen, um Glasfaserverträge zu verkaufen. Drückerkolonnen überrumpeln demnach Verbraucherinnen und Verbraucher, drängen sie, gleich zu unterschreiben, ohne die Vertragsunterlagen richtig geprüft zu haben. Mit solchen Methoden fallen aber nicht nur Vertreter im Auftrag der Deutschen Glasfaser auf. Auch die Deutsche Telekom schickt Drückerkolonnen los, die nicht immer korrekt auftreten.

Glasfaser ist nicht gleich Glasfaser

Ein großes Problem scheint auch zu sein, dass die Kundinnen und Kunden von den Vertriebsleuten der Glasfaser-Unternehmen nicht richtig aufgeklärt werden, welche Art von Glasfaseranschluss sie eigentlich verkaufen wollen. Oft handelt es sich um Angebote, die das Glasfaserkabel nicht bis ins Haus oder in die Wohnung bringen, sondern im schlimmsten Fall nur bis zum nächsten Verteilerkasten. Man sollte deshalb unbedingt darauf achten, dass auf dem Vertrag "Fiber to the home" steht. Andernfalls drohen Pleiten, wie sie einem Verbraucher widerfahren ist, von dem der BR ebenfalls erfahren hat.

Glasfaser sogar langsamer als Kupferkabel

Der freute sich zwar über seinen zügig verlegten Glasfaseranschluss. Bald aber beschlich ihn das Gefühl, dass dieser gar nicht schneller war als sein bisheriger DSL-Anschluss. Eine Messung ergab, dass die Leistung des angeblichen Glasfaserkabels 75 Prozent unter der der alten Kupferleitung lag. Der Mann versucht nun, wenigstens den Preis für das Abo zu mindern. Bislang ohne Erfolg. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat hier einige Tipps zusammengestellt, um beim Abschluss eines Vertrages nicht in die Falle zu tappen.

Nach der Unterschrift braucht man Geduld

Während es beim Vertragsabschluss also manchmal zu schnell geht, zieht sich danach oft alles extrem in die Länge. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Glasfaseranbieter zusehen müssen, ob sich das Projekt überhaupt rechnet. Lange wurde eine Mindestquote von 40 Prozent an Glasfaser-williger Haushalte in einer Gemeinde abgewartet, bevor ein Unternehmen ein Gebiet in Angriff nahm. Inzwischen wird manchmal auch schon deutlich darunter angefangen zu graben, wie der Branchenverband Breko weiß. Trotzdem muss sich klar abzeichnen, dass ein ausreichendes Interesse in der Bevölkerung an Glasfaser vorhanden ist, bevor die Bagger losgeschickt werden.

Plötzlich standen die Arbeiter im Garten

Horst Kayser aus Inning am Ammersee hatte seinen Vertrag Ende 2021 unterzeichnet. Monate lang tat sich danach gar nichts. Kayser hätte gerne gewusst, wann er mit dem Glasfaser-Anschluss rechnen kann, weil er seinen alten Internet-Vertrag rechtzeitig kündigen wollte. Der Anbieter (in diesem Fall die Deutsche Glasfaser) reagierte auf seine Anfragen allerdings nicht und verwies auf ein lokales Informationsbüro im Nachbarort. Als Horst Kayser dort vorbeischaute, war das Büro komplett leer, lediglich ein vergilbtes Schild an der Tür deutete darauf hin, dass man sich hier irgendwann mal um Glasfaseranschlüsse kümmern wollte.

Es blieb also nichts übrig, als zu warten. Dann standen plötzlich unangekündigt zwei Arbeiter in seinem Garten und fingen an zu schaufeln. Der Rentner sagte, er sei gerade noch rechtzeitig gekommen, um eine Verwüstung des Gartens zu verhindern, indem er die Arbeiter beim Buddeln dirigierte. Immerhin ging es vorwärts.

Ein fertiger Glasfaseranschluss im Haus muss noch nichts heißen

Seit rund einem halben Jahr hat Horst Kayser nun seinen Glasfaseranschluss. Die Buchse ist fertig und eigentlich sieht alles ganz gut aus. Doch auch in Inning läuft es ähnlich wie im Ort Isen im Landkreis Erding. Aus dem Glasfaserkabel kommt kein Internet. Das Problem: Die Leitungen im Ort werden nicht fertig. Man sieht Kabel, die aus offenen Löchern am Straßenrand ragen. Eine Nachfrage Kaysers beim Bürgermeister, wie lange die Glasfaserarbeiten im Ort noch dauern würden, war ergebnislos. Auch der Bürgermeister kannte den Zeitplan nicht.

Am Bau hakt es an vielen Stellen

Eines der grundlegenden Probleme: Die Baumaschinen kommen nicht vom Vertragspartner, also in diesem Fall von der Deutschen Glasfaser, sondern von einem Subunternehmen oder einem Sub-Sub-Unternehmen. Möglicherweise hat eine Firma die Bauleitung für eine Gemeinde übernommen und engagiert ihrerseits mehrere kleinere Baufirmen, die dann nur Teile der Arbeiten ausführen. Verzögerungen gibt es auch, wie im Fall Isen, wenn die Gemeinde mit den Arbeiten nicht zufrieden ist und Nachbesserungen verlangt, etwa weil die Straße nicht wieder sauber verschlossen worden ist.

Dem BR wurde zudem von Fällen berichtet, in denen Subunternehmen pleite gingen und die Aufträge neu ausgeschrieben werden mussten. Und dann herrschen am Bau noch immer Lieferschwierigkeiten für bestimmte Materialien. Es kann aber auch sein, dass sich die Gemeinde mit den Baugenehmigungen Zeit lässt. Und so warten einige Kundinnen und Kunden ziemlich lange darauf, dass aus ihren Glasfaserkabeln endlich Daten strömen.

Service – häufig unbefriedigend

Bei den Verbraucherzentralen nehmen die Beschwerden über die Glasfaseranbieter zu. So meldet der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) für die Deutsche Glasfaser eine Steigerung der Beschwerden von 164 im Jahr 2020 auf 711 in 2022, also fast eine Vervierfachung. Bei den bisherigen Daten für 2023 setzt sich dieser sprunghafte Anstieg fort.

Einer der Haupt-Kritikpunkte ist, neben den Verzögerungen, die schlechte Erreichbarkeit der Unternehmen. Die Glasfaser-Firmen stellen sich oft tot, wenn die Kundschaft Nachfragen hat. Das verwaiste Service-Büro ist dabei das beste Beispiel. Die Beschwerden betreffen laut VZBV aber längst nicht nur die Deutsche Glasfaser, sondern alle Anbieter. Das bestätigt auch Urs Mannsmann, Telekom-Experte bei der Computerzeitschrift ct. Er bezeichnet die Probleme, mit denen sich viele Glasfaser-Kunden derzeit herumschlagen, als Wachstumsschmerzen. Der Markt habe eben Fahrt aufgenommen, sagt Mannsmann.

Glasfaser bleibt ein Abenteuer

Dass diese Schmerzen bald aus dem Markt verschwinden werden, darf bezweifelt werden. Bislang ist erst in rund einem Viertel der deutschen Haushalte Glasfaser angekommen. Bis 2030 sollen alle Menschen in Deutschland versorgt sein. Bayern hat sich sogar noch ehrgeizigere Ziele gesteckt. Hier soll es bis 2025 eine flächendeckende Gigabit-Versorgung geben, auch wenn dabei TV-Kabel, die diese Geschwindigkeit erreichen, mitgezählt werden. Der Druck, schnell Projekte anzureißen, ist groß und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Reibungsverlusten. Kundinnen und Kunden müssen Geduld mitbringen. Oder anders gesagt: Glasfaser ist derzeit ein Abenteuer, auf das man wirklich Lust haben muss.

Dieser Artikel ist erstmals am 4. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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