"Wer im digitalen Bereich die Vorherrschaft gewinnt, der wird Herr der ganzen Welt werden", zitierte Sigmar Gabriel bei seiner Eröffnungsrede zur "Digital Life Design"-Konferenz (DLD) Wladimir Putin. So oder so ähnlich hatte der russische Präsident das vor ein paar Monaten tatsächlich gesagt. Für Bundesaußenminister Gabriel, Stargast des Auftakt-Abends zur DLD 2018 in München, ist die Aussage auch ein Weckruf, der vor allem Europa angeht.
Europa Zaungast bei USA vs. China?
Die "Big Five" aus den USA - Google, Apple, Amazon, Facebook und Microsoft - trügen diesen Kampf um die digitale Welt gerade mit den beiden großen chinesischen Playern unter den Tech-Konzernen, Alibaba und Tencent, aus. Und Europa? Sei eher eine Art Zaungast, der zwar irgendwie dabei sein will, sich aber nicht wirklich einzugreifen traut. Das solle sich ändern, so Gabriel. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner schlug in die gleiche Kerbe: Man müsse hierzulande "die Digitalisierung gestalten" - anstatt sich nur auf ihren Wogen treiben zu lassen.
Als wäre es gewollt gewesen, passen die beiden Politikeraussagen gut zum diesjährigen Motto der Digital-Konferenz DLD: "Reconquer", Zurückerobern. Doch dabei geht es nicht nur um die Technologieführerschaft von Staaten und Unternehmen. Es geht auch um einen Mangel an Souveränität der Nutzer, der einzelnen Menschen, die im Internet unterwegs sind.
Überfordert das Internet das menschliche Gehirn?
"Facebook und Google haben zu viel Macht", sagte auch der New Yorker Tech-Investor Albert Wenger im Gespräch mit BR24 im Rahmen der DLD. Der gebürtige Franke, dem Kunden aus aller Welt ihr Wagniskapital anvertrauen, sieht dabei auch eine Überforderung des Einzelnen im Internet: "Das menschliche Gehirn ist nicht auf eine Welt eingestellt, in der ich eine endlose Anzahl von Katzenvideos sehen kann".
Die Macht der großen amerikanischen oder chinesischen Tech-Konzerne beruht laut Wenger auf der vielzitierten, riesigen Datenmenge, die diese Unternehmen zur Verfügung haben. Dies sind teils sehr persönliche, auch intime Informationen über unser Leben, unsere Interessen, unsere Wünsche, die vielleicht niemand kennt außer uns - und den genannten Firmen. Nun gelte es, einen Teil dieser Macht zurückzuerobern. Eine Sofortmaßnahme, um den Blick zu klären, könne zunächst sein: "Sich öfter mal bei Facebook ausloggen", sagt Wenger.
Uber-Chef am Montag in München erwartet
Noch bis Montag geht es bei der DLD-Konferenz, die Hubert Burda Media jedes Jahr im Januar in München veranstaltet, um die verschiedensten Ecken der digitalen Welt, in denen es etwas zurückzuerobern gilt: um Maschinen und künstliche Intelligenz, die für Menschen immer mehr zu Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt werden; um vertrauenswürdige Nachrichten im Internet; um vernetzte Wohnungen und Städte - und um die Mobilität. Am Montag wird dazu mit Dara Khosrowshahi der neue Chef eines weiteren großen Datenkonzerns erwartet: des Taxi-Schrecks Uber. Nicht ausgeschlossen, dass dann auch die Münchner Taxifahrer kommen werden, um etwas zurückzuerobern.