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Digitaler Staat

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Deutsche Behörden hinken bei Digitalisierung hinterher

Kindergeld beantragen? Steuererklärung? In anderen Ländern per Mausklick möglich. In Deutschland dagegen müssen Bürger ewig auf einen Termin beim Amt warten. Die Bundesregierung will das ändern - allen voran die Staatsministerin für Digitalisierung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es ist ihr erster großer Auftritt im neuen Amt. Dorothee Bär, CSU, betritt die Bühne in einem Saal des früheren DDR-Kinos "Kosmos" in Berlin-Friedrichshain. Draußen schneit es. "Man glaubt es ja nicht, dass man zum Thema 'Irgendwas mit digitalem Staat' ausgerechnet in Berlin früh um 8.30 Uhr schon die Bude voll bekommt", sagt die neue Digital-Staatsministerin.

Doch die Bude ist voll. So voll, dass Dutzende Besucher in den Nachbarraum geschickt wurden, wo Bärs Rede als Livestream übertragen wird. Eingeladen wurde sie zum Kongress "Digitaler Staat", um die Pläne der neuen Bundesregierung für die Digitalisierung der Verwaltung vorzustellen. Als sie das tut, klingt sie fränkisch freundlich, lächelt viel ins Publikum - und lässt trotzdem Sätze fallen, die nicht bei jedem im Saal gut ankommen dürften. Vor allem nicht bei den vielen Verwaltungsbeamten.

Bär fordert Umdenken in Behörden

Dorothee Bär wünscht sich ein Umdenken in vielen Amtsstuben: Dort sollte Leidenschaft einziehen - für neue, digitale Lösungen, die den Menschen das Leben leichter machen. Die Verwaltung sei oft nicht auf der Höhe der Zeit, was die Interaktion mit den Bürgern angehe.

"Ich überspitze das jetzt mal - jetzt nicht wieder alles ganz dramatisch sehen - aber ich sage: Oft wurde man auch dahingehend erzogen, möglichst wenig Kontakt zum Bürger zu haben." Dorothee Bär, CSU, Staatsministerin für Digitalisierung

Und das müsse fundamental geändert werden. Die neue Bundesregierung hat sich beim Thema digitale Verwaltung nun ehrgeizige Ziele gesetzt, wenn auch eine Legislaturperiode zu spät, wie Bär eingesteht. Ein Baustein: das digitale Bürgerportal mit Zugang zu allen Verwaltungsdienstleistungen. Ein damit verknüpftes Bürgerkonto soll jedem Nutzer zeigen, welche Daten beim Staat über ihn vorliegen und welche Behörden darauf Zugriff haben.

Den elektronischen Personalausweis wollen Union und SPD zu einem universellen, sicheren Authentifizierungsmedium weiterentwickeln. Gemeinsame Register sollen in Zukunft vermeiden, dass einzelne Behörden per Post immer und immer wieder dieselben Daten bei Bürgern abfragen, obwohl der Staat diese schon lange kennt.

Online-Anträge statt Wartezeiten für Amtstermine

Die digitale Verwaltung soll lästige Termine bei Behörden überflüssig machen.

"Und ich muss nicht in Berlin leben - aber da ganz besonders -, um zu wissen, welchen Gewinn an Lebensqualität man hätte, wenn man nicht mehr drei Monate auf einen Termin warten muss, nur um beispielsweise Kindergeld zu beantragen." Dorothee Bär

Ihre letzte Botschaft: Mit Kritikern, die immer noch diskutieren wollen, ob die Verwaltung überhaupt digital werden soll, will Bär gar nicht mehr sprechen - nur noch mit denen, die sich fragen, wie genau der digitale Staat aussehen soll. Nach einer guten Viertelstunde verlässt sie die Bühne - und auch gleich den Kongress. Sie verpasst daher den Auftritt von Paul Chaffey, dem Staatssekretär des norwegischen Ministeriums für öffentliche Verwaltung. In Norwegen sind die Visionen der neuen deutschen Regierung seit Jahren Realität.

Dort wird das von Dorothee Bär gewünschte "Once Only"-Prinzip, also die Idee, dass Bürger bestimmte Daten den Behörden nur ein einziges Mal bereitstellen müssen, bereits praktiziert.

"Man muss sich fragen, warum man seine Bürger darum bitten sollte, viele Informationen in Formulare einzutragen, die die Regierung längst hat." Paul Chaffey, Staatssekretär im norwegischen Ministerium für öffentliche Verwaltung

In Norwegen greifen die Behörden auf zentrale Register zu, in denen die Daten gespeichert sind. Sicher, wie der Staatssekretär betont. In Norwegen lässt sich die Steuererklärung, bei der die meisten Felder bereits automatisch ausgefüllt wurden, in wenigen Minuten am Computer erledigen. Kindergeld lässt sich blitzschnell online beantragen.

Bayerische Kommunen arbeiten an digitalem Service

Die ersten digitalen Innovationen der bayerischen Kommunen klingen dagegen noch etwas bescheidener - untätig ist man aber in den Rathäusern nicht. Ingolstadt etwa wurde schon 2012 mit dem Bayerischen eGovernment-Preis ausgezeichnet. Dort können Bürger online ihre Wohnung anmelden und sich Termine in diversen Ämtern reservieren lassen, wie in vielen anderen Gemeinden auch.

Die Landeshauptstadt München hat Anfang des Jahres ihre neue "SmartCity App" präsentiert. Die Nutzer bekommen dort Infos über das Wetter, die Sehenswürdigkeiten oder aktuelle Veranstaltungen in ihrer unmittelbaren Nähe. Die Fahrpläne von Bussen und Bahnen lassen sich abfragen - und es gibt viele Infos zu den verschiedenen Ämtern und Behörden der Staat.

In München stellt man fest: Es braucht Öffentlichkeitsarbeit, damit die Leute überhaupt erfahren, dass es digitale Angebote gibt.

"Und diese Angebote müssen benutzerfreundlich sein. Da muss vielleicht das ein oder andere Gesetz ein bisschen entschärft werden, damit man auch leichter Onlinedienste bauen kann." Wolfgang Glock, Zuständiger der Stadt München für eGovernment