Bildrechte: Theater an der Rott

Harald Wurmsdobler als Graf Danilo

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Zu clever für Cancan: "Die Lustige Witwe" in Eggenfelden

Diesmal haben die Grisetten die Hosen an: Am Theater an der Rott ist Franz Léhars Erfolgsoperette von 1905 mit starken, selbstbewussten Frauen und eher farblosen Männern zu sehen. Das begehrte Geld wird geteilt. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Als das rosarote Schummerlicht eingeschaltet wurde, freute sich wahrscheinlich schon der eine oder andere Zuschauer auf Cancan, Rüschenröcke und einen Hauch von Pariser Revuekitsch, doch dann kam alles ganz anders. Die Grisetten im niederbayerischen Eggenfelden erwiesen sich als überraschend selbstbewusste, gut gelaunte und vor allem coole Frauen im Einheitslook: Schwarzer Bubikopf, rote Robe, Netzstrümpfe, Pumps.

Frauen auf Augenhöhe

Keine Figuren aus dem Operetten-Museum, sondern modern, fröhlich, total entspannt - und gewiss viel zu clever, um langweiligen Männern hinterher zu seufzen. Regisseurin Manuela Kloibmüller entstaubte die "Lustige Witwe" optisch wie inhaltlich - behutsam, aber doch deutlich.

Meine erste Ansage war: Ich möchte Frauen haben, die sich trauen, etwas auszudrücken. Und aus dieser Lust heraus, etwas darzustellen und präsent zu sein, auf der Bühne zu sein, aus dem haben sich dann diese sechs Grisetten herauskristallisiert. Speziell war es mir nicht wichtig, nur die dünnsten und schönsten herauszunehmen - es sind wunderschöne Frauen, aber sie bedienen nicht nur das Klischee. - Manuela Kloibmüller

Das Geld wird geteilt

Beim eher konservativen Publikum von Deutschlands einzigem Landkreistheater sind Experimente gerade mit bekannten Operetten nicht gefragt. Deshalb ist jede Aktualisierung ein Risiko. Aber auch in Eggenfelden ist die Welt längst eine andere als zu Franz Léhars Zeiten. Deshalb bekommt die 20 Millionen der titelgebenden reiche Witwe Hanna Glawari, nicht, wie im Originaltext, am Ende ihr neuer Ehemann Graf Danilowitsch - sondern das Geld wird ausdrücklich von beiden gemeinsam verwaltet. Sämtliche Frauen sind hier eigenständig und unabhängig, spielen gern mit den Kerlen und lassen nichts anbrennen.

Gerade in den Operetten sind ja gerade die Frauenfiguren oft immer etwas schwierig und einseitig dargestellt. Es ist schon schön, Schichten freizulegen und einfach eine Emanzipation darzustellen, die aber jetzt nicht übertrieben ist, also keine Emanzen zu zeigen, sondern Frauen, die auf Augenhöhe mit den Männer verhandeln. Auch die Männer haben Verletztheiten und Probleme, und auch die zu zeigen, das war mir ein Anliegen. - Manuela Kloibmüller

Kassengestell ohne Gläser

Da diese "Lustige Witwe" im Juni auch open air im österreichischen Pramtal in der Nähe von Schärding zu sehen sein wird, war der technische Aufwand von von vorneherein beschränkt. Ausstatterin Nina Ball hatte eine repräsentative Fassade mit kleiner Showtreppe entworfen. Auf dem unvermeidlichen großen Ball wird nicht Kaviar gereicht, sondern der Grill angeworfen, ein Verweis auf die kommende Freiluftsaison. Der pontevedrinische Staatschef ist als Pappfigur anwesend und sieht aus wie ein typischer Schmiergeld-Oligarch aus Osteuropa. Der trottelige Kanzlist der korrupten Botschaft, Njegus (erfrischend authentisch: Josef Forstner), trägt auf der Nase ein Kassengestell - ohne Gläser, aber "besser als nichts". Jedenfalls poliert er sie trotzdem.

Graf Danilo zu brav und bieder

Im Zentrum der "Lustigen Witwe" stehen natürlich die beiden Hauptfiguren: Julia Grüter ist eine ungewohnte, aber überzeugende Hanna Glawari - keine mondäne Dame, sondern burschikos, auch mal barfuß unterwegs, keck, offenherzig, wenig sentimental und stimmlich bezaubernd präsent. Harald Wurmsdobler als Graf Danilowitsch dagegen, im Nebenberuf Intendant der Pramtaler Sommeroperette, ließ das nötige filouhafte Charisma vermissen, das für diese Rolle unabdingbar ist. Er wirkte einfach viel zu brav und bieder, was ihn liebenswert machte - aber Alkoholexzesse im Pariser Revue-Leben waren ihm ebenso wenig zuzutrauen wie das Kokettieren mit einer Millionen-Erbschaft.

Mitgeklatscht wurde trotzdem

Glaubwürdiger waren Armin Stockerer als souveräner, keineswegs "beschränkter" Botschafter und Anna Magdalena Auzinger als dessen platinblonde, liebestolle Gattin. Martin Mairinger war ein herrlich tollpatschiger und ungelenker Liebhaber als Camille de Rossillon. Generell waren die Männer in diesem Fall jedoch etwas farblos und schlapp inszeniert, womöglich mit Absicht. Das Kammerorchester aus dem Innviertel unter Leitung von Gerald Karl spielte sehr gut geprobt auf, hier und da fast zu streng und kühl, was aber gut zum entschlackten Regiekonzept passte. Mitgeklatscht wurde natürlich trotzdem!

Wieder am 8., 13., 14. und 15. April, weitere Termine.