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Wilhelmine hat es schwer

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Wilhelmines markgräfliches Hundeleben: "Artaserse" in Bayreuth

Sie war selbstbewusst, kunstsinnig und unabhängig: Markgräfin Wilhelmine leistete sich ein Opernhaus in der fränkischen Provinz - eines der schönsten und damals größten Theater in Europa. Ein Leben wie eine Barockoper. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Gut, dass sich jemand fand, der sich um den Hund von Anja Silja kümmerte. Das machte die 77-jährige Sängerin angeblich zur Bedingung dafür, dass sie noch einmal eine (Sprech-)Rolle übernahm, und zwar nicht irgendwo, sondern in Bayreuth - also dort, wo sie eine spektakuläre Liebesaffäre mit dem verheirateten Wieland Wagner hatte, wo sie nach dessen Tod 1966 von dessen Familie verstoßen wurde, wo sie somit sage und schreibe ein halbes Jahrhundert nicht mehr auf der Bühne stehen durfte und auch nicht stehen wollte - zu stark waren ihre Erinnerungen an Wieland.

Hier bin ich endlich allein in meinem Schmerz. Was tat ich? Was tat ich denn? Oh, grausamer Vater, geliebter Bruder, ihr seid mir verloren. - Anja Silja als Wilhelmine

Für die Oper verschuldete sich Bayreuth

Keine andere Sopranistin hatte so jung die großen Wagner-Partien gesungen, war so umstritten, so ausdrucksstark, von so vielen Gerüchten umwabert wie die Silja. Und jetzt, am Ende ihrer Karriere, spielte sie zur Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses keine andere als die kunstsinnige Markgräfin Wilhelmine, eine starke, unabhängige und leidgeprüfte Frau, die für das Theater ihren Kleinstaat verschuldete, die selbst komponierte, sich um die Ausstattung kümmerte und - was für eine Ironie, auch Hundeliebhaberin, ja sogar Großmeisterin des freimaurerischen Mops-Ordens war.

Ärger mit dem Tierarzt

So ein Schoßhund findet sich deshalb auch an Wilhelmines Bayreuther Denkmal schräg gegenüber vom Opernhaus. Und damit nicht genug: Regisseur Balázs Kovalik ließ in seiner Inszenierung der Barock-Oper "Artaserse" Anja Silja und andere zeitweise mit Hundemasken auftreten. Warum, das blieb zwar schleierhaft, aber wer wollte, konnte dabei an Wilhelmines verbürgten Ärger mit dem Tierarzt oder Anja Siljas Probleme mit dem Hunde-Sitter denken. Das war überhaupt das Problem dieses glanzvollen Abends: Die Dramaturgie-Studenten der Bayerischen Theaterakademie August Everding hatten anscheinend sehr viele Ideen, hatten sehr gründlich recherchiert und so ziemlich alle diese Einfälle wurden dann auch von der Regie umgesetzt.

Großverdiener Johann Adolf Hasse

So wucherten die Assoziationen allzu üppig. Vordergründig ging es um die Geschichte des traditionsreichen Opernhauses, des schönsten und größten Barocktheaters Europas, das 1748 unter anderem mit dem Königsdrama "Artaserse" eröffnet wurde, einem Stoff aus der persischen Antike, geschrieben vom Erfolgstexter Pietro Metastasio und vertont vom Großverdiener und Superstar Johann Adolf Hasse. Das war in diesem Fall allerdings Nebensache: Vor allem wurde die Lebensgeschichte von Markgräfin Wilhelmine gezeigt, ja die ihrer ganzen Familie, also auch ihres Bruders, der schließlich Friedrich der Große wurde. Sie alle litten unter einem tyrannischen und geistlosen Vater. Eine Familienhölle, wie die viel gelesenen Memoiren der Wilhelmine belegen.

Gänzlich überfrachteter Abend

Das alles war schon reichlich kompliziert und eigentlich nur für Zuschauer verständlich, die in der Bayreuther Kulturgeschichte bestens bewandert sind, dazu kam jedoch neben dem Star Anja Silja und deren Bayreuth-Schicksal auch noch der Eröffnungsglanz nach fünfjähriger Renovierung, und so thematisierten Regisseur Balazs Kovalik und sein Ausstatter Csaba Antal das Barocktheater als solches, mit Donner- und Windmaschine, mit Schnellverwandlungen, mit der Pracht von Perücken und Kostümen. Zuviel von allem! Der Abend hinterließ einen gänzlich überfrachteten, anstrengenden, ja trocken akademischen Eindruck.

Gewisser Weise ein Hundeleben

Theater für Eingeweihte, für ein Festpublikum, das schon in Bayreuth nicht wirklich funktionierte und dass es bei den geplanten Aufführungen im Mai im Münchener Cuvilliés-Theater, ebenfalls ein Barockjuwel, sicher nicht leicht haben wird, das Publikum zu überzeugen. Die Studenten der Theaterakademie hatten vor allem mit den Affekten Schwierigkeiten, von denen die Barock-Oper ja lebt, also mit den großen Gefühlen, die sich ständig jäh abwechseln. Auch stimmlich blieben Wünsche offen. Kathrin Zukowski als Friedrich und Natalya Boeva als Mutter meisterten ihre Partien allerdings eindrucksvoll. Dirigent Michael Hofstetter und die Münchener Hofkapelle waren zu bewundern, mussten sie doch ständig mit den Sprechpassagen der Silja zurecht kommen, was gelegentlich etwas mühsam wirkte. Vorbehaltloses Lob verdienen dagegen die Bühnenarbeiter - die wie im Barockzeitalter Schwerstarbeit leisteten. In gewisser Weise ein Hundeleben.


Wieder am 14. und 15. April, sowie ab 11. Mai in München