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Matthias Hartmann

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Was der Fall Hartmann über das Theater aussagt

#MeToo weitet sich aus. Machtmissbrauch jenseits von sexuellen Übergriffen steht nun zur Debatte: 60 Burgtheater-Angestellte werfen ihrem ehemaligen Intendanten Matthias Hartmann vor, eine "Atmosphäre der Angst" geschaffen zu haben. Von Barbara Knopf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Matthias Hartmann steht seit dem Wochenende im Fokus einer Debatte über seinen Führungsstil als Intendant und Regisseur am Wiener Burgtheater, in der Zeit von 2009 bis 2014. 60 Unterzeichner eines Offenen Briefes, Techniker und Schauspieler, beklagen, er habe an der Burg eine Atmosphäre der Angst und Verunsicherung geschaffen. Es um verbale Herabwürdigungen, von Spermaschlucken ist die Rede, von schwulenfeindlichen Sprüchen, von Technikerbeschimpfung, auch von angedrohten Kündigungen. Durchaus selbstkritisch attestieren sich die Unterzeichner, viel zu lange darüber geschwiegen zu haben, im Zuge der Metoo-Debatte aber nun für Machtüberschreitung in Arbeitsverhältnissen zu sensibilisieren. Hartmann selbst hat in einer Stellungnahme nicht wirklich eigenes Fehlverhalten anerkannt. 

Barbara Knopf hat mit Lisa Jopt über diese Vorwürfe gesprochen. Lisa Jopt ist Schauspielerin am Schauspielhaus Bochum und Initiatorin des Ensemble Netzwerk, das für gute betriebliche Bedingungen an öffentlich geförderten Theater sorgen will. 

Interessant ist, dass die Metoo-Debatte nun übergreifender wird. Im Falle der Vorwürfe gegen Matthias Hartmann rücken ja nun überhaupt die Arbeitsbedingungen am Theater in den Mittelpunkt: ein Klima der Angst, der Abhängigkeiten, des Machtmissbrauchs. Trifft das auch auf andere Bühnen zu? Was sind denn Ihre Erfahrungen? fragt Barbara Knopf

Ein strukturelles Problem der Theater

"Ja absolut. Das liegt einfach schon in der Grundstruktur des Theaters, das ja einen Intendanten oder Intendantin hat - in 74 Prozent sind es männliche Leiter - die über alles bestimmen können. Und das bedeutet, dass Verträge nach einem oder zwei Jahren einfach nicht verlängert werden können, ganz frisch gibt es zum Beispiel erst einen Schutz für Schwangere. Wir hinken da, was Arbeitnehmerschutz angeht, ganz schön hinterher."

Als Entschuldigung für solche Grenzüberschreitungen kommt dann immer das Argument, es sei ja ein künstlerischer Prozess. Warum eigentlich? Das ist doch gar kein Grund dafür, dass man keine Manieren hat?

"Nun ja, das ist ein schwieriger Grat, weil wir Theater machen, das ist sehr anstrengend. Das erfordert ein hohes Maß an Konzentration, Disziplin und gleichzeitig ganz viel Offenheit und Freiheit in der Fantasie. Und dass es da mal knirscht oder man sich im Ton vergreift oder geschmacklos ist, das kommt überall vor, ich glaube auch an den besten Häusern. Dass man sich dafür entschuldigt, wenn einem einfach die Zündung durchbrennt, dafür habe ich durchaus Verständnis. Wir sind auch eine Branche, in der man mit vielen Leuten zu tun hat, die von sich das Gefühl haben, ich bin anders und ich brauch ein Ort, wo das nicht verurteilt wird, oder wo ich das rauslassen kann oder so. Das hat eben auch was Schönes. Warum muss das dann gleich in Geschmacklosigkeiten oder in rassistische Äußerungen münden?" sagt Lisa Jopt