Ein großes Gemälde voller roter Augen im Saal der Alte Philharmonie
Bildrechte: Alegria Exhibition

Blick auf die Original-Kulisse von Salvador Dalí für den Film "Spellbound"

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Traumhaft psycho: Die Salvador-Dalí-Ausstellung "Spellbound"

Für die Kulisse einer Traumsequenz in seinem Film "Spellbound" engagierte Alfred Hitchcock 1945 den damals schon weltberühmten Künstler Salvador Dalí. Die Original-Kulisse und viele weitere Werke Dalís sind nun in der Münchner Fat Cat zu sehen.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Das Herzstück der Ausstellung befindet sich im Saal der Philharmonie, hier hat Salvador Dalís Filmkulisse ihren großen Aufritt: 5 mal 11 Meter misst die Leinwand, naja eigentlich sind es 5 mal 5,5 – es sind nämlich zwei Teile: Zu sehen sind neun rote Augen mit langen spitzen Wimpern, eingebettet in beige-graue Tücher. Flaniert wird die Leinwand von animierten Projektionen ebenfalls weit aufgerissener Augen. Direkt davor: die Skizzen, die Dalí mit Hitchcock entwickelte und Fotos, die den Maler zeigen, wie er mit extrem langen Pinseln an der am Boden liegenden Leinwand arbeitet. Die maltechnische Qualität ist nicht besonders hoch, aber das musste sie ja auch nicht sein: Es ging um Kulissen für die Traumsequenz eines Schwarz-Weiß-Films.

Auch wenn die von Dalí gemalten Augen hier unangetastet bleiben, denkt man doch automatisch an den Film "Ein andalusischer Hund", den Dalí bereits 1929 mit Luis Bunuel gedreht hatte und in dem ein Auge und ein Rasiermesser unschön aufeinandertreffen. "Das Auge ist eines der führenden Motive im Surrealismus und damit natürlich auch bei Salvador Dalí", erklärt Veranstalter Nick Hellenbroich. "Das Auge ermöglicht uns erst das wahrzunehmen, was ist, wobei auch da eine Verfälschung mitkommt, weil das rein mechanische Bild ja verkehrt herum im Kopf ankommt. Also auch da ist schon ein gewisser Surrealismus und deshalb ist das für die Surrealisten so ein zentrales Motiv."

Zwei Meister ihres Fachs: Alfred Hitchcock und Salvador Dalí

Surreal nennen wir etwas, das traumhaft wirkt, im Sinne von unwirklich. Dabei sind es gerade unsere Träume, in denen viel Wahrheit steckt – oft mehr, als uns klar ist. Genau hier setzt Hitchcocks Film "Spellbound" (deutsch: "Ich kämpfe um dich") von 1945 an: Eine von Ingrid Bergmann gespielte Psychoanalytikerin versucht, dem unter Amnesie leidenden Mordverdächtigen (gespielt von Gregory Peck) zu helfen, indem sie seine Träume deutet. Damit ist "Spellbound" einer der ersten Hollywood-Filme, die sich mit Sigmund Freuds Psychoanalyse beschäftigten. Für die Traumszenen beauftragte Hitchcock ganz bewusst den damals schon weltberühmten Salvador Dalí, erzählt Nick Hellenbroich: "Hitchcock hat selber gesagt, im Film wird der Traum immer verschwommen, nebulös dargestellt, aber das entspricht ja gar nicht der Realität, weil Träume können sehr klar sein und da fand er das surrealistische Werk von Dalí eigentlich genau richtig, weil er immer sehr klare Linien zeigt und alles andere als verschwommen ist."

Von diesem Kernthema ausgehend entfaltet sich eine Ausstellung mit vielen weiteren Werken von Dalí: "Der anthropomorphe Kabinettschrank" etwa, die Bronzeskulptur eines Liegenden mit lauter halbgeöffneten Schubladen am Körper. Eine Reihe von farbigen Graphiken zum Thema "Hamlet". Oder auch das rote Lippensofa "Mae West" von 1974. Andere Exponate werden von Zitaten aus den Filmen "ergänzt", beispielsweise das Bronzefragment eines weiblichen Torsos. Der Zusammenhang? Irgendwas mit Frau.

Bronzeskulpturen und Druckgraphik

Nein, "Spellbound" ist keine streng kuratierte, wissenschaftliche Museumsausstellung, das muss sie auch nicht sein. Es ist eine Erlebnis-Ausstellung, wie es sie seit einiger Zeit immer öfter gibt. Der Riesenwirbel, der hier um die "Originale" von Dalí gemacht wird, ist bei Bronzeabgüssen und Druckgraphik in hohen Auflagen ziemlich übertrieben. Dabei ist die Erzählidee dieser Ausstellung durchaus überzeugend. Doch statt Dalí-Socken und zerlaufene Uhren für bis zu 180 Euro zu verkaufen, hätten sich die Macher besser um die Vorführungslizenzen für den Film bemühen sollen: Der ist nämlich auch fast 80 Jahre nach seiner Entstehung immer noch absolut sehenswert und hochspannend.

Der Clou der Ausstellung aber ist der zweite Teil, das sogenannte "Metaverse": Mit einer Virtual-Reality-Brille ausgestattet können Besucherinnen die Dalí'sche Bilderwelt hier wortwörtlich betreten, eine Traumwelt, voller unlogischer und symbolträchtiger Objekte und Geschehnisse: In einem Bett gleitet man über das Meer, Blauwale fliegen über einen hinweg, der Griff nach einem Regenschirm reicht und schon fliegt man Richtung Himmel. Es ist, als würde man im Traum eines anderen Spazierengehen. Beeindruckend, was die digitale Technik ermöglicht. Und es ist nicht nur eine Spielerei: Den Surrealismus mit der Psychoanalyse zusammenzuspannen, macht absolut Sinn – das wusste ja schon Hitchcock.

Dieser Artikel ist erstmals am 02. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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