Der Weg der Worte und Gedanken in den Gedichten von Thomas Kunst ist immer wieder weit. Er führt etwa von einem Hochtal in Pakistan an die Ostseeküste, in die Tage und Wochen eines heftigen Wintereinbruchs in den späten 1970er Jahren. Und dann geht es wieder weiter in die Welt. Kunsts Gedichte beschreiben die Dinge so klar. Gleichzeitig sind sie immer wieder rätselhaft. Und sie spannen Fäden zum Werk anderer Dichter, wie etwa zu dem des chilenischen Lyrikers und Dramatikers Gaston Salvatore. Diesem hat Thomas Kunst ein Briefgedicht gewidmet, eine Form, die er seit langem pflegt.
Schöne Seiteneinflüsterungen
Der Band "Kolonien und Manschettenknöpfe" bietet verschiedenen Formen Raum. Da ein Sonett, dort ein Langgedicht, über mehrere Seiten und doch pointiert und genau. Thomas Kunst schreibt vom Unterwegssein zwischen Mecklenburg und Milwaukee, ebenso folgt er spannenden Phantasien, etwa indem er eine Schlacht aus dem frühen Mittelalter - den Sieg der Franken über die Araber bei Poitiers - in einen Leipziger Baumarkt verlegt. Am Anfang eines jeden Gedichtes stehen einzelne Wörter, so der Lyriker.
„Ich weiß am Tag des Schreibens noch überhaupt nicht, wohin die Reise geht. Und das kann dann Verknüpfungen geben eben von der Ostsee bis Finnland, bis Pakistan. Das sind Seiteneinflüsterungen, die ich grundsätzlich vertraue. Und dann geht die Reise los.“ (Thomas Kunst)
Eigene Traditionen
Und die Reise ist großartig: Thomas Kunsts Poesie steht in der Tradition von Autoren wie Nicolas Born, Rolf-Dieter Brinkmann oder auch Ulrich Zieger – lauter große Wortmagier und Wortspieler, immer verhaftet der Realität. Besondere Gedichte, mitreißende Verse, spannende Erkundungen unserer Zeit.
Thomas Kunst. Kolonien und Manschettenknöpfe. Suhrkamp. 125 S. 20 €.