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Streit um Obelisk: Kassel hadert mit Documenta-Kunst

Der nigerianisch-amerikanische Künstler Olu Obuige erinnerte mit einer imposanten Säule auf der vergangenen documenta an das Flüchtlingselend. Kassel möchte das Kunstwerk behalten, aber nicht unbedingt am jetzigen Standort. Von Peter Jungblut

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Der 16 Meter hohe Obelisk passt gut in die Mitte des Kasseler Königsplatzes, auch wenn vermutlich wenige Passanten wissen, welche Mahnung damit verbunden ist. Aber das geht dem Obelisken am Münchener Karolinenplatz nicht anders: Wer weiß schon, dass er ein Ehrenmal für die bayerischen Soldaten sein soll, die 1812 im Russland-Feldzug von Napoleon starben? Der aus Aba in Nigeria stammende Künstler Olu Oguibe (Jahrgang 1964) nannte sein Werk ein "Fremdlinge- und Flüchtlings-Monument" - ein Mahnmal, das bei der letzten documenta, der wichtigsten Kunstausstellung der Welt, viel Furore machte. In vier Sprachen ist auf der Säule zu lesen "Ich war ein Fremdling, und ihr habt mich beherbergt."

AfD spricht von "entstellter Kunst"

Mit einer Spendenaktion wollte Kassel dafür sorgen, dass der Obelisk in der Stadt bleiben kann. 600.000 Euro waren anvisiert, es kamen aber letztlich nur 128 000 Euro zusammen, was die örtliche AfD als "klares Nein" der Bevölkerung interpretiert. Sie sprach nach Presseberichten auch von "ideologisch polarisierender, entstellter Kunst". Der Künstler ist gleichwohl oder gerade deshalb bereit, die niedrigere Summe als ausreichend zu akzeptieren, will aber nicht dulden, dass sein Werk innerhalb von Kassel umzieht. Genau das hatte aber der Stadtmagistrat entschieden. Demnach soll der Obelisk auf den "Holländischen Platz" in der Nähe der Universität umgesetzt werden, damit der jetzige Standort für die nächste documenta frei wird. Es gelte auch, "stadtgestalterische" Aspekte zu bedenken:

Der Holländische Platz im Zentrum der Stadt Kassel besticht durch seine besondere städtebauliche und stadtgesellschaftliche Relevanz und ist gleichsam Mittelpunkt städtischen Lebens – wie ein Scharnier zwischen Stadtteilen und durch seine Nähe zur Universität Treffpunkt für die internationale, multikulturelle Bürgerschaft. - Stadtbaurat Christof Nolda.

"Anderer Standort kommt nicht in Frage"

In der Kunst-Zeitschrift "Monopol" wird Oguibes Berliner Galerist Alexander Koch von der Berliner Galerie KOW mit dem Satz zitiert: "Olu Oguibe und ich sind uns einig, dass ein anderer Standort in Kassel nicht in Frage kommt. Eher bauen wir das Werk wieder ab." Das dürfte die Debatte in Kassel weiter befeuern. Kulturdezernentin Susanne Völker ist der Meinung, dass sich das Werk derzeit genau am richtigen Platz befindet. Ob sie sich mit dieser Ansicht durchsetzen kann, erscheint fraglich. Olu Oguibe wandte sich mit einer E-Mail an "Monopol":

Der Bürgermeister von Kassel und die SPD haben entschieden, den Obelisken zu versetzen, um sich die AfD vom Hals zu halten. Ihre Kalkulation ist, dass sie mich unter Druck setzen können. Sie machen den Standort zur Bedingung für den Ankauf und denken, dass ich zu sehr vom Geld verlockt bin, um abzulehnen. Eine traurige Fehleinschätzung. Man hat mir versichert, dass 27.000 Studenten den Obelisken am Holländischen Platz sehen würden, aber wenn ich eine Skulptur für Studenten gewollt hätte, hätte ich eine gemacht. Der Obelisk ist für alle, nicht nur für die Outsider in der Nordstadt. - Olu Oguibe in "Monopol"

Wie und wann der Streit entschieden wird, steht noch nicht fest. Zuständig sind letztlich die Stadtverordneten in Kassel.