Sex befreit von Problemen, Kopfschmerzen befreien von Sex und die Ehe von Kopfschmerzen: Über knapp zwei Stunden hinweg kann sich das Publikum in der Komödie im Bayerischen Hof Gedanken darüber machen, was nun erstrebenswerter ist. Soviel sei verraten: Sex ist auf Tischen und Baumstümpfen keine Alternative, Kopfschmerzen passen nicht in die Badewanne, dafür aber die Ehe unter den Sonnenschirm. Woody Allens „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ nach dem Film aus dem Jahr 1982 ist auch auf der Bühne beste Großstadt-Unterhaltung.
Alle gehen baden
Ein Wallstreet-Banker, ein Professor, ein Chirurg und drei eigenwillige, aber gar nicht so unterschiedliche Frauen teilen sich einen eleganten Triebhaushalt irgendwo auf dem Lande, servieren sich Getränke, Speisen und Leidenschaften, nerven sich mit Schubert-Liedern und Erfindungen, gehen baden, Pilze testen und Hornissen jagen – und sind am Ende total glücklich, falls sie nicht tot sind. Andreas Hueck inszeniert das in der Ausstattung von Komödien-Chef Thomas Pekny flott, lichtdurchflutet und wortwitzig als wirklich leichtes, aber keineswegs seichtes Lustspiel nach der Vorlage von William Shakespeare, der auch ein paar Mal respektvoll genannt wird. Und das Erfreuliche daran: Die Zuschauer haben allesamt hitzefrei, der Saal ist angenehm klimatisiert.
Wald aus blauen Latten
Thorsten Nindel sehnt sich als ergrauter Banker Andrew Hobbs nach Erotik, muss jedoch erkennen, dass die für einen Mann seines Alters überraschend anstrengend, ja frustrierend sein kann. Seine Frau Adrian (Saskia Valencia) erhofft sich Rat von der liebestollen, kessen Krankenschwester Dulcie Ford (Claudia Plöckl), die im „Orgasmus“-Buch von Professor und Tintoretto-Hasser Leopold Sturgis (Peter Fricke) die urwüchsigen Neandertaler und ihre Instinkte schätzen lernt. Der Professor, sonst eher mit der Renaissance beschäftigt, ist gern bereit, Anschauungsunterricht zu geben. Der schicke Arzt Maxwell Jordan (Maximilian Laprell) umgarnt die große Romantikerin Ariel Weymouth (Alexandra Kamp), die schon viele Chancen verpasst hat und jetzt endlich irgendeine ergreifen will, fragt sich nur, welche. Weil Jordan das nicht ertragen kann, will er sich erschießen und kommt dabei auch einigermaßen voran. Na klar, das ist ein aberwitziges Durcheinander in einem Wald aus blauen Latten, der für die große Sehnsucht nach Liebe steht. Fast schnoddrig spielen das die Mitwirkenden, die seit langer Zeit keine Teenager mehr sind – wie auch die Zuschauer. Aber es macht Spaß, die fernen Erinnerungen aufzufrischen.
"Hengste" und "Springer"
Mit Woody Allens New Yorker Tempo und Witz kann der Abend natürlich nicht mithalten, das muss er auch nicht, Film und Bühne haben einen jeweils eigenen Rhythmus. Aber diese Inszenierung ist überraschend wenig gekünstelt und bemüht, dafür ehrlich, locker und herzerfrischend, was an der guten, typgerechten Besetzung, der einfachen, aber zweckmäßigen Ausstattung und mal derben, mal launigen Regie-Einfällen liegt. Unnachahmlich, wie ein abgefeuerter Pfeil in Zeitlupe sein Opfer streift, wie die verunsicherte Ariel das Fliegen lernt und dabei doch nicht abhebt, wie das Schachspiel als Anschauungsmaterial dient, um den Unterschied zwischen „Hengsten“ und „Springern“ zu erläutern. Und gut, dass immer wieder durcheinander gesprochen wird. Das sorgt für Tempo! Eigentlich enden Komödien ja immer mit der Hochzeit, aber in diesem Fall ist klar: Am Tag danach werden alle Beteiligten abermals die Balance zwischen Sex, Kopfschmerzen und Ehe suchen.
Täglich um 19.30 Uhr bis 9. September in der Komödie im Bayerischen Hof München.