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Schriftsteller Dieter Wellershoff

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Schriftsteller Dieter Wellershoff gestorben

Sein Roman "Der Liebeswunsch" war ein Bestseller und und galt als einer der großen Realisten der deutschen Gegenwartsliteratur. Nun ist der zurückhaltende Autor im Alter von 92 Jahren gestorben. Von Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

So abgeklärt wie Dieter Wellershoff können wohl nur wenige dem Tod ins Auge blicken. Der Autor und hagere Mann, der noch im hohen Alter mit dem Rad durch Köln fuhr, besaß diesen nüchternen Blick auf das Leben wie das Sterben.

"Manchmal weht es mich kalt an, diese Vorstellung, dass es zu Ende geht. Andererseits finde ich es ganz normal. Ich weiß, dass es eine Aufgabe ist, sterben zu können. Und ich finde letzten Endes perspektivisch gesehen sollten die Menschen das Sterben auch selbst in die Hand nehmen. Also das ist eigentlich die logische zivilisatorische Entwicklung, dass man das nicht nur als Vorgang erleidet, sondern man muss doch auch ade sagen können, finde ich.“ Dieter Wellershoff

Gelassene Haltung gegenüber dem Tod

Vor einigen Jahren bereits veröffentlichte Wellershoff unter dem Titel "Schau dir das an, das ist der Krieg" seine vielgelobten Erinnerungen an die Zeit als Soldat auf CD. 2014 machte sich Wellershoff auf einer neuen Hörbuch-Produktion unter dem Titel "Ans Ende kommen" Gedanken über Altern und Sterben.

"Das Alter befragt den Menschen: Wer bist du? Was kannst du jetzt von dem, was du getan hast, für dich beanspruchen und wie bist du für die anderen und wie sehen die das? Das Altern, normalerweise, wenn man so darüber redet, ist es ein Verlustgeschäft, was eintritt. Andererseits ist es aber sozusagen das Zeichen der verstandenen Möglichkeiten: Für einen Schriftsteller ist das klar: Das sind die Bücher, die er geschrieben hat." Dieter Wellershoff

Romane und autobiografische Zeugnisse

Die Bücher, die Dieter Wellershoff schrieb, das waren Romane wie sein bekanntester, "Der Liebeswunsch“, der auch verfilmt wurde, das waren aber auch Essays, Erzählungen und beeindruckende autobiografische Zeugnisse wie das 1995 erschienene Buch "Der Ernstfall" über seine Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Ein ungeheures Dokument, weil hier schonungslos auf die eigenen Verfehlungen und Irrtümer geblickt wird von Dieter Wellershoff, der als Maschinengewehrschütze im Begleitregiment des "morphiumsüchtigen Gespensts" Hermann Göring an der Ostfront stand und Freunde krepieren sah im Handgranatenhagel. Aber ein kühler, teilnahmsloser Blick, sein "Psychopanzer", wie er ihn nannte, hinderte ihn daran, in Panik auszubrechen.

Das Buch wies Wellershoff aus als Mitglied der "skeptischen Generation". Der da nach dem Krieg über Gottfried Benn promovierte, war bei KiWi einst Lektor des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll, bevor er selbst zu schreiben begann:

"Das Schreiben ist für mich zur zweiten Existenz geworden, in der ich mir meine Erfahrungen verdeutliche, festhalte, durcharbeite. Und ich glaube, wenn ich eine gewisse Festigkeit im Leben gewonnen habe, verdanke ich das gerade dieser Tatsache. Schreiben ist ein Erkenntnisvorgang.“ Dieter Wellershoff

Integrer Autor fester Überzeugungen

Wachen Geistes räsonnierte Wellershoff zuletzt über die Frage, wie er sterben wollte – in Gegenwart anderer. Wie eine Kerze verlöschen nach einem letztmaligen Aufflackern, das war sein Ideal – "davonschwebend" verschwinden. In Würde zu sterben, so sagt er es, das könne nur bedeuten: "als man selbst sterben". Man zweifelt nicht daran, dass es für Dieter Wellershoff, diesen integren Autor fester Überzeugungen, so gekommen ist, wie er es sich gewünscht hat.

"Das, was Literatur leisten kann, das ist die Vertiefung der Wahrnehmung des Lebens. Es musste eine realistische Literatur sein, Realismus bedeutet aber nicht das Abschreiben einer scheinbar bekannten Wirklichkeit, sondern es bedeutet das neue Sehen von Wirklichkeit. Wirklichkeit ist ja ein Konstrukt, es ist das von uns Gesehene und Erlebte, und normalerweise leben wir innerhalb unserer Institutionen und Gewohnheiten ein bisschen oberflächlich, und in der Literatur besteht die Möglichkeit, das alles in Frage zu stellen und sozusagen ein neues impulsives und spontanes kritisches Sehen durchzusetzen, ohne das die Menschen eigentlich verdummen würden. Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass die sinnstiftenden Institutionen – Religionen, Parteien, Ideologien – so an Prestige verloren haben, dass die Literatur als Beschreibung des konkreten, individuellen Lebens eine neue Orientierungsrolle spielt. Das ist eine sehr intime Wirkung, die Literatur haben kann.“ Dieter Wellershoff

Wie eine Sprecherin seines Verlags Kiepenheuer & Witsch mitteilte, ist Dieter Wellershoff im Alter von 92 Jahren in Köln gestorben.