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Peggy Paradise swingt: "Ariadne auf Naxos" in Meiningen

Als pralles Theater-Bacchanal samt Zickenkrieg präsentierte Regisseurin Aldona Farrugia die mitunter spröde Kunst-Oper von Richard Strauss. Das war so unterhaltsam wie überraschend: Sogar ein Feuerwerk war inbegriffen. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: Piazza am .

Selbst gewiefte Kenner von Richard Strauss werden sich wohl kaum an Peggy Paradise, Mandy Marvelous und Candy Delicious erinnern. Trotzdem hatten sie alle gestern Abend am Theater Meiningen ihren großen Auftritt in der "Ariadne auf Naxos", und zwar in der Pause. Da durften mehrere Mitwirkende unter Künstlernamen wie "Erzengel Gabriel" und "Elvis" zeigen, was sie können oder auch nicht können: Blockflöte spielen, finnische Gedichte aufsagen, sentimentale Lieder aus Tschechien oder Texas zum Besten geben, eine Swingnummer präsentieren.

Zickenkrieg der Soprandiven

Regisseurin Aldona Farrugia zeigte einen knapp dreistündigen, ausgesprochen unterhaltsamen Abend über die Höhen und Tiefen des Theaters, und genau darum geht es ja bei Richard Strauss, angefangen von den antiken Dionysien über die Stegreifkomödie bis zum Zickenkrieg der Soprandiven. Schon beim Betreten des Zuschauerraums wurde das Publikum von sehr geschäftigen Sängern und Bühnenarbeitern empfangen. Die Flugmaschine wurde ausprobiert, die Kulissen zurecht gerückt, der Boden abgesaugt, die Koffer ausgepackt - alles ganz nebenbei, lässig, natürlich.

Pulverdampf über dem Publikum

Sehr schnell wird "Ariadne auf Naxos" ja zu einem eher drögen Seminar für Bildungsbürger, zu einem bemüht-angestrengten Kurs in Theatergeschichte. Klar, es geht um einen unglaublich ignoranten, reichen Herrn in Wien, der aus Zeitgründen anordnet, Tragödie und Komödie nicht hintereinander zu spielen, sondern gleichzeitig. Denn danach ist ein Feuerwerk geplant, und das muss unbedingt auf die Minute pünktlich abbrennen. In Meiningen wird es am Ende tatsächlich unter Freudenrufen angezündet, auch dies ein herrlicher Gag, zumal der Pulverdampf danach noch länger über das Publikum hinweg zog.

Pralinen für die Bauchkrämpfe

Regisseurin Aldona Farrugia versteht ganz offensichtlich was von Licht und Schatten des Theatergeschäfts, musste in Meiningen auch heftige Streitereien ausfechten und wird das Haus zum Ende der Saison nach nur zwei Jahren wieder verlassen. Das Bühnenleben ist unwägbar, emotional, absurd, eitel,großartig, und all das wurde in dieser "Ariadne auf Naxos" vorgeführt. Eine verblüffend anarchische Idee war es zum Beispiel, an das Publikum Pralinen auszugeben, und zwar dieselben, von denen der Haushofmeister auf der Bühne kurz darauf schreckliche Bauchkrämpfe bekam.

Feine Ironie und pure Überwältigung

Ausstatterin Anja Hertkorn beschränkte sich auf wenige markante Kulissenteile: Ein paar öde Felsen auf einem grauen Teppichboden, Ariadne vertrauert ihre einsamen Tage ja auf einer Wüsteninsel. Aber auch eine Discokugel und ein Flittervorhang waren mit von der Partie, schließlich lässt sich Theater-Gott Bacchus höchstpersönlich blicken und entführt Ariadne am Ende auf einer Art Gangway in den Himmel. Alles fauler Zauber, verraten die fast schon trashigen, jedenfalls grellen Kostüme. Und trotzdem entstand genau die Magie, wegen der die Leute seit über 2000 Jahren ins Theater gehen. Das lag an Dirigent Philippe Bach und der Meininger Hofkapelle, die mustergültig den typischen Strauss-Sound aus feiner Ironie und purer Überwältigung in Balance hielten. Und es lag an der dänischen Sopranistin Britt-Tone Müllertz in der Titelrolle: Mit unfassbarer Energie strömte ihre warme, ausgeglichene, nimmermüde Stimme dahin, ohne jemals schrill oder scharf zu wirken. Eine Sängerin mit echtem Strauss-Format, wie sie selten geworden sind.

Flammen des Bacchus

Tenor Michael Siemon als Bacchus brauchte etwas Anlauf, konnte dann jedoch ohne Weiteres mithalten. Auch Monika Reinhard als quirlige Komödiantin Zerbinetta überzeugte, wenngleich die Regie auf jede Art Klamauk verzichtete und die Komödie eher als sentimental-traurige Angelegenheit hinstellte. Gregor Nöllen war ein rustikal-vergnügungssüchtiger Haushofmeister, die holländische Sopranistin Deirdre Angenent als Komponist im Frack eine durch und durch tragikomische Leidensfigur. Insgesamt ein grandioser Erfolg für das Meininger Theater, der klar machte, wie sehr die Bühnenkunst aus dem Schmerz geboren wurde, den das Leben nun mal mit sich bringt. Vor den Flammen des Bacchus ist eben niemand gefeit.

Wieder am 22. und 29. April, sowie 30. Mai, weitere Termine.