Besucher vor dem "Seerosenteich am Abend" von Claude Monet in der Ausstellung der Sammlung Emil Bührle im Kunsthaus Zürich
Bildrechte: picture alliance/KEYSTONE | ENNIO LEANZA

Die neue Bührle-Ausstellung im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich reagiert betont auf Kritik an der Sammlung des Museums.

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Neue Ausstellung, alte Probleme – Sammlung Bührle in Zürich

Waffenhändler Emil Bührle verdiente am Zweiten Weltkrieg und sammelte etliche Bilder aus jüdischem Besitz, die im Krieg unter Preis verkauft wurden. Jetzt reagiert das Kunsthaus Zürich mit der Schau "Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt" auf Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es sind viele Stimmen zu hören in dieser neuen Ausstellung im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich. Museumsleitung und Kuratorinnen sagen in Videos, dass sie es wichtig finden, die Sammlung des Kriegsprofiteurs Emil Bührle zu zeigen – dass die Werke Anlass sein könnten, der Opfer des NS-Terrors zu gedenken. In anderen Videos kommen weitere Personen zu Wort – Kunsthändler, Historikerinnen, Museumsleute – mit ihren Meinungen über den richtigen Umgang mit Bührles Kunst und ihrer Geschichte. Und immer wieder wird betont, es sei eine "umstrittene Sammlung", die da nun neu präsentiert werde.

Kontext der umstrittenen Sammlung ist Thema

Museumsdirektorin Ann Demeester hebt die neue Ausstellung betont von der letzten Präsentation der hochkarätigen Bilder aus der Bührle-Sammlung ab: "Diese Vielfalt ist für uns wahnsinnig wichtig". Die letzte Ausstellung habe Geschichte und Kunst getrennt und nur eine Perspektive repräsentiert: "Die neutrale Perspektive des Museums. Jetzt sagen wir, so können wir nicht mehr mit Geschichte umgehen. Es gibt ja verschiedene Interpretationen und dieses Forum müssen wir jetzt bieten. Dieses Spektrum müssen wir zeigen, auch wenn es ab und zu unangenehm ist".

"Unangenehm" wird es gleich nach drei wunderbaren Seerosenbildern von Claude Monet. Zwei von ihnen hatte Bührle dem Kunsthaus Zürich schon zu Lebzeiten in den 1950ern geschenkt, das dritte zog 2021 mit der Sammlung als Dauerleihgabe in den spektakulären Erweiterungsbau des Kunsthauses ein. Bei der neuen Ausstellung gibt es jetzt neben den impressionistischen Meisterwerken der Sammlung auch Informationen über "Waffen und Kunst" – darüber, wie Bührle, der Waffenlieferant des NS-Regimes, in der Zürcher Kunstgesellschaft eine steile Karriere machte. Dass er Kunst auch von verfolgten jüdischen Sammlerinnen und Sammlern kaufte. Und wie das Kunsthaus vom Kriegsprofiteur profitierte.

Bildrechte: Sammlung Bührle: Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich
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Paul Cezanne: Knabe mit roter Weste, Ausschnitt. Eins der umstrittenen Bilder der Sammlung Bührle

Waffen und Kunst

"Dieser Emil Bührle ist in der DNA des Kunsthauses Zürich, ob wir das jetzt angenehm finden, oder nicht", sagt Ann Demeester. Bührle sei seit Jahrzehnten mit dem Haus verbunden gewesen und daher auch seine Sammlung. Obwohl die neue Sammlungspräsentation deutlich kritischer mit Bührle umgeht, ist der Sammler nach wie vor dominant: Die Ausstellung vollzieht chronologisch den Aufbau von Bührles Sammlung nach. Mit diesem Fokus war der wissenschaftliche Beirat, den das Kunsthaus eigens für die Vorbereitung der Schau engagiert hatte, nicht einverstanden. Noch vor der Ausstellungseröffnung ist der Beirat zurückgetreten.

"Der Grund für den Rücktritt des Beirats ist, dass Emil Bührle weiter im Zentrum der Präsentation steht, während die einstigen EigentümerInnen der Werke nicht in angemessener Weise sichtbar sind und damit ein weiteres Mal marginalisiert werden", erklärt Stefanie Mahrer. Die Historikerin lehrt an den Universitäten Bern und Basel und ist Sprecherin des Beirats.

Ein Raum für die Opfer des NS-Regimes

Ein Raum in der Ausstellung ist ihnen gewidmet, den Opfern des NS-Regimes, von deren Notlage Emil Bührle profitierte. Zu sehen sind Bilder mit problematischer Provenienz: Zum Beispiel Claude Monets "Mohnblumenfeld bei Vétheuil" - Bührle kaufte es 1940 von Hans Erich Emden, dem Sohn und Erben des Hamburger Unternehmers Max Emden, der als Jude vor dem NS-Regime in die Schweiz geflohen und dort gestorben war. Bis heute – so heißt es im Text an der Ausstellungswand – sei "umstritten, ob sich Hans Erich Emden als Jude in einer Zwangslage befand und das Werk zur Finanzierung seiner Flucht nach Chile veräußern musste."

Ob dieses oder andere Bilder der Bührle-Sammlung den Erben der jüdischen Voreigentümer zurückgegeben werden müssten – ist noch offen. Erst für den Sommer 2024 werden die Ergebnisse der neu aufgerollten Provenienzforschung erwartet. Und so bleibt bei Monets Mohnblumenfeld wie auch überall in der Ausstellung das Wort "umstritten" der zentrale Begriff im Kunsthaus Zürich. Die zentrale Botschaft: Es ist kompliziert.

Das Image der "neutralen Schweiz"

Und auch diese Präsentation der Bührle-Sammlung wird – das hat Museumsdirektorin Ann Demeester angekündigt – wieder überarbeitet werden. Vorerst allerdings ohne wissenschaftlichen Beirat. Die Historikerin Stefanie Mahrer sieht in der Zürcher Dauerkontroverse um die Sammlung Bührle auch ein grundsätzliches Problem. Bis heute tue man sich in der Schweiz sehr schwer mit der Vergangenheit während der NS-Zeit. Die Schweiz zieht sich bis heute zurück auf den Standpunkt, dass sie neutral war, dass sie umgeben war von kriegsführenden Staaten: "Diese Geschichtsbilder sind unglaublich hartnäckig und es fällt kritischen HistorikerInnen unglaublich schwer, das aufzubrechen", so Mahrer.

Mehr Informationen zur neuen Präsentation der Sammlung Bührle "Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle: Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt" im Kunsthaus Zürich.

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