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Mann mit Fleisch

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"Mannlicher Krieg - Weiblicher Frieden?" Ausstellung in Dresden

Sollten Frauen Waffen tragen? Kann ein Kämpfer wie Alexander der Große homosexuell sein? Geschlechter-Stereotypen spielen auch im Militär eine Rolle. Das Militärhistorische Museum zeigt eine Ausstellung über Gewalt und Geschlecht. Von Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Knut Cordsen hat mit Gorch Pieken, dem wissenschaftlichen Leiter des Militärhistorischen Museum nder Bundeswehr in Dresden, gesprochen.

Herr Pieken, nach Ihrem Namensvetter Gorch Fock, dem Verfasser von "Seefahrt ist not!", ist das Segelschulschiff der deutschen Marine benannt. Auf diesem Schiff werden längst auch Soldatinnen ausgebildet. Heißt das, derjenige liegt falsch, der immer noch in den Kategorien "männlich gleich kriegslüstern" und "weiblich gleich pazifistisch" denkt?

Na, gerade in Armeen ist dieser Gedanke noch sehr weit verbreitet, fast schon wie ein Naturgesetz, dass "weiblich" der Gegenbegriff zur "soldatisch" wäre. Es gab eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, in der 36 Prozent der männlichen Soldaten, die befragt worden sind, gesagt haben, die Bundeswehr sei schlechter geworden, seitdem es Frauen in der Bundeswehr gibt, die Einsatzfähigkeit habe gelitten. Das war übrigens auch einer der Gründe dafür, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigt haben, um zu schauen, ob das ein Urteil oder vielleicht doch nur ein Vorurteil ist.

Spätestens seit Aristophanes‘ Komödie "Lysistrate", was ja nichts anderes heißt als die "Heeresauflöserin", seit diesem Stück also, in dem die Frauen ihre Männer davon abhalten, in die Schlacht zu ziehen, indem sie sich ihnen sexuell verweigern, gelten die Männer als Verursacher des Krieges und die friedliebenden Frauen als dessen Verhinderer. Ist es nur ein Mythos, den die alten Griechen da seinerzeit in die Welt gesetzt haben?

Ich denke, dass die soziale Rolle "Frau" tatsächlich über Kompetenzen verfügt, die sie befähigt, Frieden zu schaffen, zu vermitteln. Denken Sie nur an die niederländische Genremalerei, die berühmten Gasthof-Schlägereien: In diesen Bildern gehen oft Frauen dazwischen. Also es muss etwas da dran sein, dass die Frau friedlich ist. Aber ist es das biologische Geschlecht? Machen die Gene die Frau dazu oder hat das etwas mit Prägung und Erziehung zu tun, wie es zum Beispiel Margarete Mitscherlich vermutet, die von einer doppelten Geschlechtermoral spricht?

Sie haben in Ihrer Ausstellung über 1.000 Objekte versammelt. Anhand welcher Gegenstände oder Kunstwerke illustrieren Sie denn dieses Thema?

Der Zugang zu dieser Ausstellung ist methodisch breit gefasst, fast schon impressionistisch zu nennen. Wenn man sich für das Gewaltthema nur auf die physische Gewalt fokussieren wollte, dann kommt man zu einer klaren Antwort: Auf den Schlachtfeldern sieht man nur Männer, in den Gefängnissen sind unter denen, die wegen Mordes verurteilt werden, 90 Prozent Männer, und Amokläufer gibt es auch fast nur in der männlichen Form. Dann wäre das eine sehr kleine Ausstellung. Aber in menschlichen Angelegenheiten es alles mit allem anderen verbunden, und das gilt ganz besonders für die Gewalt. Darum schauen wir auch in andere Gewaltformen hinein wie die strukturelle Gewalt, die soziale Gewalt, die psychische Gewalt und die symbolische Gewalt. Und da spielen tatsächlich Frauen auch eine Rolle. Eine Rolle, die vielleicht bis in den Krieg hineinragt: Der Krieg entsteht ja aus dem Frieden, und der Frieden selbst ist auch kein gewaltfreier Zustand.

Das müssten Sie vielleicht noch einmal erklären: Inwiefern ist der Frieden kein gewaltfreier Zustand?

Franz Marc schrieb aus dem Ersten Weltkrieg, dass auch der schönste Frieden nur ein latenter Krieg sei. Natürlich bestimmen Gewaltverhältnisse unser Leben, und wir denken, dass das Geschlecht, so wie wir es kennen, das soziale Geschlecht, ohne Gewalt in der Welt, in der wir leben, gar nicht denkbar ist. Da geht es um Hierarchien, da geht es um Zuordnungen. Pierre Bourdieu, der bekannte Geschlechtsforscher, sagte, dass Männer über Jahrhunderte, über Jahrtausende physische und symbolische Gewalt angewandt haben, um eine Geschlechterhierarchie zu etablieren. Das heißt: Sie sind überlegen, die Frauen sind unterlegen, sie sind das eine, die Frauen sind das andere, sie sind die Norm und die Frauen sind die Abweichung davon. Aber vielleicht gibt es auch so etwas – und wir glauben das an einigen Punkten in unserem Leben zu sehen – wie einen patriarchalen Konsens oder eine patriarchale Dividende auch für Frauen, die sich einen starken, einen erfolgreichen Mann auswählen. Darum haben wir zum Beispiel auch Dating-Agenturen und Samenbanken angeschaut und versucht herauszufinden, welcher Männertypus denn von Frauen bevorzugt wird. Vielleicht eben ein Männertypus, der eine Gesellschaft maßgeblich mitprägt, unter der Frauen vielleicht vorgeblich leiden.

Das Ganze ist ja ein Minenfeld von einem Thema, das ist Ihnen schon bewusst, denke ich, oder?

Das ist mir sehr bewusst! Die Ausstellung ist ein heuristischer Versuch, und wir kommen allerhöchstens zu wahrscheinlichen Annahmen, aber natürlich zu keiner abschließenden Antwort. Es gibt Teilbereiche in dieser Ausstellung, in der uns eine Beweisführung gegen Vorurteile und Geschlechterstereotype gelingt, wie zum Beispiel zu homosexuellen Soldaten. Da erlauben wir uns auch ein Zwangs-Outing, was historische Persönlichkeiten und Mythen angeht: Friedrich der Große zum Beispiel ist auch heute noch in der Bundeswehr jemand, dem man Respekt bezeugt als großem Strategen und Feldherrn, oder Prinz Eugen von Savoyen, Richard Löwenherz oder Alexander der Große. Es fällt doch vielen Soldaten schwer, sich vorzustellen, dass dieser Kriegsheld ein Homosexueller ist, weil er eben genauso gegen Stereotypen verstößt wie eine Frau in Uniform, die Waffen trägt. Aber sie waren homosexuell und sie waren erfolgreiche Kämpfer, und auch damit beschäftigen uns in der Ausstellung.

Die Ausstellung "Männlicher Krieg - Weiblicher Frieden? Gewalt und Geschlecht" ist bis zum 30. Oktober im Militärhistorischen Museum Dresden zu sehen.