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Szenenfoto aus "Kolyma"

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"Kolyma"-Film über Sibirien: Ab minus 50 Grad blutet die Nase

"Straße der Knochen" heißt die Piste zwischen dem fernöstlichen Magadan und dem sibirischen Jakutsk: Zwangsarbeiter haben sie unter Stalin gebaut, Tausende starben in der Kolyma-Region. Filmemacher Stanislaw Mucha über sein aufwühlendes Roadmovie.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Das war für mich klar, dass ich mich da umschauen will, wie es sich heute da lebt, atmet, streitet, wovon träumt man, weshalb weint man? Weint man überhaupt auf einem Friedhof? Ich glaube, diese geschichtliche, die reine geschichtliche Verarbeitung ist ein falsches Medium dafür, aber ich bin natürlich kein Historiker." Stanislaw Mucha über seine Motive

Die Stimmung dieses Films ist genauso melancholisch wie skurril, genauso unterhaltsam wie bedrückend, und das liegt natürlich auch an den Menschen, die sie treffen. Sie treten als Dokumentarfilmer auffallend forsch auf, mit großem Charme zwar, aber auch sehr direkt. Wie sind Sie vorgegangen?

"In der Tat das Schwierigste am Anfang war die Tonalität zu finden, also tatsächlich ein Bereich, in dem man auch über schwierige Sachen, oder unbequeme, oder tragische, auch leicht erzählen kann. Das strebe ich an. Eine andere Sache war, dass einschließlich meiner russischen Freunde und Feinde alle mich gewarnt haben, wenn ich dort als Pole mit einem deutschen Team auftauche, werde kein Mensch mit mir reden wollen. Das konnte ich nicht vergessen, und das hat natürlich unglaublichen Ehrgeiz in mir geweckt, und ich habe mir gesagt, egal wie, ich kriege sie vor die Kamera." Stanislaw Mucha

"Hot Gulag" oder "Hot Dogs"?

Der Film, würde ich sagen, ist der Gegenbeweis für diese Befürchtung. Da ist die Verkäuferin, die sie schamlos fragen, warum ihr Stand nicht „Hot Gulag“ heißt statt „Hot Dogs“. Da ist aber auch zum Beispiel ein Mann, der erzählt, wie er Mitte der Siebzigerjahre mit einem Lkw gearbeitet hat auf einem Gelände dort und dann mit dem Auto in einem Massengrab feststeckte, und er erzählt das einerseits natürlich irgendwie befangen, aber dann auch mit so einem Galgenhumor.

"Ich glaube, dass dieser Humor uns vielleicht eine gewisse Leichtigkeit oder sogar Unterhaltsamkeit vortäuscht. Der kommt aber, glaube ich, aus dem Leben dieser Menschen, die sich entschlossen haben, dort zu bleiben, vielleicht können sie auch nicht einfach weggehen. Da wird der Humor eine Art Selbstschutz. Anders kann man das nicht aushalten." Stanislaw Mucha

Nackt bei minus 50 Grad

Unvorstellbar, dass in dieser Region tatsächlich Menschen über Jahrzehnte leben und offenbar auch gern leben. Das beweist zum Beispiel ein junger Mann, der sich aus dem Fenster lehnt mitten im Winter, mit nacktem Oberkörper.

"Wir haben da gedreht, vielleicht acht Minuten, aber er war nackt oder halbnackt und draußen waren minus fünfzig Grad und wir hatten Probleme zu atmen, weil uns andauernd aus der Nase, wenn man tiefer einatmete, sofort eine rote Flüssigkeit tropfte. Das hat mich einerseits erschreckt und andererseits angezogen. Ich habe das auch irgendwie auch bewundert. Natürlich, aus jetziger Perspektive, wir sind zurück, der Film ist fertig. Ich finde, die sind verrückt, die dort bleiben und leben." Stanislaw Mucha