Bildrechte: Günther Brus - Foto: Ludwig Hoffenreich

Günther Brus "Wiener Spaziergang", 1965

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Günter Brus: "Ich wollte mich selbst zur Skulptur machen"

Hermann Nitsch, Otto Muehl, Günter Brus - die Kunstprovokationen dieser Wiener Aktionisten sind legendär. Für sie war der Körper Material. Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist Günter Brus jetzt eine Retrospektive in Wien gewidmet. Von Joana Ortmann

Was für ein seltsames Wesen, das da 1965 durch Wien spazierte: Ein junger Mann im Anzug, komplett angemalt, wie ein lebendes Bild. Haare, Gesicht, Hose, alles weiß. Nur in seiner Körpermitte verläuft vom Scheitel bis zur Sohle eine schwarze zackige Linie. Ein Reißverschluss? Stacheldraht? Eine Wunde? Die Leute auf den Fotos der Aktion schauen belustigt, verstört, verschreckt. Auf die Frage, was ihn damals zu dieser Aktion getrieben hatte, sagt er heute nur kokett:

"Das ist eine berühmte Frage, eine theoretische, andererseits auch psychologische – aber da müssen wir einen Psychiater fragen, da bin ich überfordert." Günter Brus

Es muss dieses von Grund auf autoritäre Klima der Zeit gewesen sein, dass den zunächst eher unauffälligen, ja sogar schüchternen Wiener Kunststudenten dazu brachte, die Grenzen der Malerei immer weiter auszuloten. Sein „Wiener Spaziergang“ ist dabei von heute aus betrachtet eine seiner harmlosen Aktionen. Brus begann zunächst, seinen Körper zur Skulptur zu machen, in vielen Varianten. Dann konzentrierte er sich auf alle möglichen Körperfunktionen und –Ausscheidungen. 1968 an der Wiener Uni ließ er sich zu einer Aktion hinreißen, deren Konsequenzen er nicht vorhersah.

 "Ich bin aufs Rednerpult geklettert, hab uriniert, mich umgedreht, defäkiert und dazu die Bundeshymne gesungen, das war der Fall, der zum Skandal wurde." Günter Brus

Brus wurde angeklagt und verurteilt, verließ Wien, ging nach Deutschland in eine Art Exil. „Zerreißprobe“ hieß, fast wortwörtlich zu verstehen, die Aktion, die den größten Umbruch auf seinem künstlerischen Weg bringen sollte. 1970 in München überschritt er die Grenze, nach der er suchte – seine eigene und die des Publikums – als er sich mit einer Rasierklinge in Kopf, Brust und Beine schnitt, sich mit dem Blut bemalte und das Ganze öffentlich wieder zusammen nähen wollte. Hab ich auch gemacht, sagt er heute fast lapidar – aber danach war Schluss mit der Aktionskunst.

"Na warum? Ich hab gedacht, ich will meiner Tochter keinen verstümmelten Vater hinterlassen." Günter Brus

1979 durfte er zurück nach Österreich, 1997 bekam er den Großen Staatspreis, 2011 eröffnete in Graz das Bruseum, sein eigenes Museum. Er selber hat sein Werk mal in mehrere Phasen eingeteilt, die letzte lautet: „Maler ,suiziert' sich - und wird weltberühmt.“ Zum Glück ist nur letzteres eingetreten. 


"Günter Brus. Unruhe nach dem Sturm." Ausstellung vom 2. Februar bis 12. August 2018 im Belvedere 21, Wien.