Bildrechte: Münchner Stadtmuseum

Eduard von Grützner, Mephisto, 1872 67 x 54 cm Öl/Leinwand

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Hypo-Kunsthalle: Eine lustvolle Ausstellung zu Goethes Faust

"Du bist Faust", so der Titel der Ausstellung zu Goethes Drama in der Kunst. Sie will zeigen, was der Stoff mit uns zu tun hat - und in der spektakulären Ausstellungsarchitektur steht der Besucher irgendwann selbst auf der Bühne. Von Julie Metzdorf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ein Porträt Goethes von Joseph Stieler, ein Foto von Candida Höfer, das Goethes Haus am Frauenplan in Weimar zeigt, eine alte Puppenfigur Mephistos mit schmutziger Haut, fiesem Grinsen und schlechten Zähnen, eine Figur, wie sie auch dem kleinen Goethe begegnet sein mochte, als er als Kind in Frankfurt das Puppentheater besuchte. Das war es dann auch schon mit der Einstimmung. Hinter einem schweren roten Samtvorhang steigen wir ein in den "Kosmos Faust", und zwar wortwörtlich: Der Prolog im Himmel ist im Weltraum angesiedelt, Planeten und Sterne schweben über die Wände, man horcht Gustav Gründgens als Mephisto und sieht dabei – sich selbst, im Spiegel: "Du bist Faust" hat Kunsthallendirektor Roger Diederen die Schau nicht umsonst genannt.

"Wir wollten zeigen, dass Faust mit unserem Alltag zu tun hat. Wir sind alle verführbar, wir schließen tagtäglich einen Pakt mit irgendwelchen Teufeln und wir wollten, dass die Ausstellung mehr ist als nur eine brave Aneinanderreihung von irgendwelchen Kunstwerken." Roger Diederen, Direktor der Hypo-Kunsthalle

Die Zerrissenheit des modernen Menschen

Die Handlung des Dramas bildet Rahmen und Fundament der Schau, und so durchwandelt, ja erlebt man das Drama nicht nur als Zuschauer, sondern vielmehr als persönlich Angesprochener. Wir begegnen Mephisto in all seinen Facetten vom liebenswürdigen Schelm bis zum fiesen Bösewicht. Schon hier tauchen die ersten spannenden Fragen auf: Ist Mephisto böse, nur weil er beweist, wie verführbar der Mensch ist? Warum zeigen ihn so viele Kunstwerke als netten Schalk, wo er doch andere manipuliert, wie es ihm gefällt? Weiter geht’s zu Faust im Studierzimmer. Die Spiegelwand hier ist zerbrochen, wir sehen Faust als Wissenschaftler, mit Reagenzgläsern in der Hand und Unmengen von Büchern im Rücken, der Blick ernst und melancholisch. Alles andere als ein zufriedener oder gar glücklicher Mensch.

Umdeutungen des Fauststoffes

Und doch schafften es die Nazis, die Faust-Figur nahezu in ihr Gegenteil zu verdrehen. Sie machten aus ihm einen titanischen Übermenschen, der immer noch weiter nach Höherem strebt. Solche Veränderungen in der Rezeption des Dramas sehen wir immer wieder, zeigt die Ausstellung doch Bilder verschiedener Epochen dicht nebeneinander. Da ist etwa Gretchen: Ein ganz in Weiß und Rosa gehaltener Raum ist ihrer Unschuld gewidmet, viele historisierende Bilder des 19. Jahrhunderts zeigen sie mit blondem, geflochtenem Haar als brave Bürgertochter mit Gebetbuch in der Hand, Dutzende Postkarten aus der Zeit um 1910 zeigen Gretchen mal am Spinnrad, mal in der Kirche. Und dann ist da dieser Anselm Kiefer mit seinem von weißen und grauen Farbflecken übersäten Bild. Quer darüber die Zeile "dein goldenes Haar Margarete". Doch das Zitat stammt gar nicht aus Goethes Faust, sondern aus der Todesfuge von Paul Celan und spielt damit auf die fatale Stilisierung von Gretchen zum deutschen Mädel durch die Nazis an.

Bühne für Kunst und Betrachter

Wie eine Klammer um all die so unterschiedlichen Kunstwerke verschiedener Epochen wirkt die spektakuläre Ausstellungsarchitektur. Irgendwann steht man sogar selbst auf der Bühne, sieht man plötzlich Kulissen von hinten und vor sich den Zuschauerraum, das Ganze zu den Klängen von Charles Gounods Faust-Oper. Bühnenbildner Philipp Fürhofer hat ganze Arbeit geleistet und diese Mischung aus Literatur-, Kunst- und kulturhistorischer Ausstellung zu einer lustvollen Angelegenheit gemacht – und zwar ohne dabei die Tiefe des Stoffes in Disneyland-ähnlichen Bildern zu versenken.

Die Ausstellung "Du bist Faust – Goethes Drama in der Kunst" ist bis zum 29. Juli 2018 in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München zu sehen.