Bildrechte: Neumaier/Medizinhistorisches Museum Ingolstadt

"Frühe Hirnkappe zur Erzeugung höchster Nervosität"

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Frankenstein: Künstliche Intelligenz, natürliche Dummheit

Ein "Kleines Frankenstein-Depot" ist in Ingolstadt zu besichtigen: Die Objekte und Fotos von Gabriele und Thomas Neumaier sind vom Monster-Mythos inspiriert und spielen mit aktuellen Wahrnehmungen und Gedanken zu diesem Thema. Von Susanne Pfaller

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Frankensteins Monster hat einen deutschen Reisepass. Ein Foto seiner Visage ist festgenietet auf der Innenseite des grünen Dokuments - ganz korrekt oben rechts. Darauf links unten - amtlich - der Behördenstempel. Der Pass für das Roman-Monster liegt unter Glas im Hörsaal der Hohen Schule, der ersten bayerischen Universität. Dort wo die Autorin Mary Shelley Frankenstein und sein Monster vor 200 Jahren zum Leben erweckte. Das Reisepapier für Frankensteins Monster hat der Künstler Thomas Neumaier ausgestellt. Denn der findet, dass Frankenstein und sein Monster als Grenzüberschreiter längst global präsent sind:

Das Monströse spielt sich nicht mehr in so einem romantischen Labor ab, wie es noch 1815 von Shelley angenommen wurde, dass Frankenstein in einem Labor in Ingolstadt tätig war, sondern Frankenstein ist längst zu einem Symbol der Massenproduktion und des Krieges geworden, also der romantische Frankenstein ist ja harmlos gegen das, was zum Beispiel in Konzentrationslagern geschehen ist, an Menschenversuchen mit Juden, bevor sie umgebracht wurden, etwa von einem Mengele. Oder auch was jetzt mit der künstlichen Intelligenz geschieht! - Thomas Neumaier

Gesichtserkennung von Hundeschnauzen

Deren Möglichkeiten machen den Menschen vermessen und gleichzeitig vermessbar. Algorithmen erfassen alles. Biometrische Gesichtserkennung zum Beispiel macht vor niemand und nichts halt. Gabriele Neumaier legt in ihren Fotografien das biometrische Raster auf Plastikpuppen, auf Jesus, auf Hundeschnauzen und Ceranfeldschaber. Die Art von Gesichtserkennung führt nach Absurdistan:

Wenn Sie das genau angucken, hat der ein Gesicht, und man könnte sich jetzt vorstellen, dass der an einer Gesichtserkennungs-Kamera vorbeimarschiert, wie das ja manche Küchenschaber machen, und dann von dieser Gesichtserfassungs-Kamera tatsächlich erfasst wird, denn in seinem Gesicht befinden sich die markanten Punkte, die so eine Kamera erfasst. - Gabriele Neumaier

Künstliche Intelligenz, natürliche Dummheit

Biometrische Raster entdeckt Gabriele Neumaier auch auf Klingelschildern, Schneefeldern oder einer Gasmaske. Ihre Fotos wie auch die Objekte ihres Mannes zeigen die Grenzen der neuen Techniken auf. Deshalb trägt ihre Ausstellung "Kleines Frankenstein Depot" auch den Untertitel: "Fotografien und Objekte zur künstlichen Intelligenz und natürliche Dummheit". Denn so das Künstlerpaar: die natürliche Dummheit begrenzt die künstliche Intelligenz: Ein Risiko, das zum Beispiel bei der Früherkennung von Terrorismus zum Tragen kommt.

Sind wir alle "Frankenstein"?

In einem atavistischen 16-teiligen Selbstporträt inszeniert Thomas Neumaier sein Konterfrei als Verbrecher-Gesicht - angelehnt an Cesare Lombroso, den italienischen Gerichtsmediziner, der im 19. Jahrhundert als einer der ersten versucht hat, Verbrecher anhand äußerer Merkmale zu typisieren. Lombrosos Maßstäbe dienten den Nazis als Vorlage für rassenbiologische Theorien und finden sich heute wieder in Neumaiers digitalen Überblendungen. Eine bewusst monströse Arbeit.

Wir beide glauben, dass wir selbst Frankenstein sind. - Gabriele Neumaier

Und sind wir das nicht alle ein bisschen? Diese Frage will diese Ausstellung ihren Besuchern mitgeben. Bis 7. Oktober 2018 in der "Alten Schule" Ingolstadt