Sam Meffire (Malick Bauer) war der erste afrodeutsche Polizist in Ostdeutschland. Er sitzt uniformiert auf einem Sofa und schaut an der Kamera vorbei.
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Sam Meffire (Malick Bauer) war der erste afrodeutsche Polizist in Ostdeutschland.

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Die erste deutsche Disney-Serie: "Sam – Ein Sachse"

Der Ex-Polizist Samuel Meffire wurde in den 1990er-Jahren deutschlandweit bekannt als Gesicht einer Anti-Rassismus-Kampagne – und berüchtigt als gesuchter Verbrecher. Nun hat Disney seine Lebensgeschichte fiktionalisiert und als Serie verfilmt.

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Er läuft und läuft. Auf dem Fußballplatz Richtung Tor. Weg vor den Nazi-Schlägern, die ihn nicht in ihrer Mannschaft sehen wollen und dem Krankenwagen hinterher, in dem seine hochschwangere Freundin zur Entbindung gefahren wird. Samuel Meffire, genannt Sam, läuft schnell, schneller als die DDR-Volkspolizei erlaubt.

Genau da landet der Sohn eines Kameruners und einer Deutschen tatsächlich kurz vor der Wende. Wenig später ist sein Gesicht aus einer Anti-Rassismus-Kampagne deutschlandweit bekannt. Er sitzt in Talkshows neben dem sächsischen Innenminister Heinz Eggert, darf in der SoKo Rechtsextremismus ermitteln und landet dann doch als Schwerverbrecher für viele Jahre im Knast. So unglaublich es scheint: die Serie "Sam – Ein Sachse" basiert lose auf der Geschichte eines realen Anti-Helden.

Ein Stück afrodeutsche Geschichte bei Disney

Die Serienschöpfer Tyron Ricketts, Christoph Silber und Jörg Winger dramatisieren Meffires Lebensweg und setzen ihn bewusst in den gesellschaftlichen Kontext der 1990er Jahre: einerseits geprägt von rassistischer Gewalt, andererseits durch eine aufblühende, Schwarze Community. So begegnet Sam in der Serie beispielsweise der afrodeutschen Dichterin und Vordenkerin May Ayim. Bei einem Treffen diskutiert Ayim ihre Thesen zu Selbstermächtigung, Akzeptanz und Sichtbarkeit – und nutzt dabei aktuelle Rassismus kritische Begriffe wie "Mikroaggression" und "Safe Space". Es wird deutlich, dass es in "Sam – Ein Sachse" nicht nur um die Vergangenheit geht.

"May Ayim hat eben auch gewirkt zu dem Zeitpunkt und nur, weil es nicht auf der Agenda der Mehrheitsgesellschaft war, heißt es nicht, dass es nicht stattgefunden hat", sagt Serienschöpfer Tyron Ricketts, der die Serie auch produziert hat und eine Nebenrolle als Sams Mentor und Freund spielt. Sie versuchten – so Tyron – die Serie auch als Vehikel zu nehmen. Zum einen, um zu unterhalten, zum anderen, um durch die Perspektive eines schwarzen Mannes zu zeigen, wie eine deutsch-deutsche Realität auch aussehen könne. Und wenn dann zur Unterhaltung auch noch ein aufklärerischer Effekt dabei sei, freue er sich natürlich.

Ein Mentoringprogramm für mehr Diversität am Set

Ricketts hat sich mit seiner Produktionsfirma Panthertainment nicht nur den Geschichten, sondern auch der Ausbildung von People of Color und anderen marginalisierten Menschen verschrieben. Diversität ist für ihn kein Selbstzweck, der der besseren, globalen Vermarktung dient. Bei Besetzung und Crew wurde daher gleichermaßen auf Vielfalt geachtet. Ost- und afrodeutsche Autoren und Autorinnen schrieben im Writers' Room. Und ein von Disney finanziertes Mentoringprogramm sollte Film-Nachwuchs für zukünftige höhere Positionen befähigen.

So folgte der Lead-Regisseurin Soleen Yusef mit Sarah Blaßkiewitz eine afrodeutsche Regisseurin mit ostdeutschen Wurzeln: "Das sind ja so kleine Freuden, wo du dann in deiner eigenen Familiengeschichte die Fotos rauskramst, dich noch einmal mit den Leuten hinsetzt", sagt sie. Das sei auch Ziel beim Filmemachen – der Punkt an dem sie als Regie andocken. Sie würde jetzt nicht jede Geschichte aus dem Osten erzählen, nur weil sie aus dem Osten komme, überhaupt nicht. Sondern nur Sam habe sie interessiert.

Video: Trailer von "Sam – Ein Sachse"

Entdeckung: Hauptdarsteller Malick Bauer

"Sam – Ein Sachse" zeigt Ostdeutschland aus der Sicht eines Ostdeutschen, der seine Heimat liebt – aber von ihr nicht geliebt wird. Sams Wut ist nachvollziehbar, die daraus folgenden Gewaltausbrüche schmerzhaft und abstoßend. Hauptdarsteller Malick Bauer werden viele sichtbare Emotionen abverlangt. Die Kamera fängt in Nahaufnahmen jede Regung auf Bauers Gesicht ein, mühelos wechselt seine Mimik zwischen Verletzlichkeit, Trotz, Enttäuschung und blindem Hass.

Sam ist kein einfacher Held, doch der Serie gelingt ein differenzierter, wenn auch stark fiktionalisiertes Porträt, ohne Meffires Taten zu verharmlosen. Weil Sam ein Faible für Lyrik hat, inszeniert Regisseurin Soleen Yusef seine Gedankenwelt mit poetischen Bildern und Metaphern, die seiner Einsamkeit und seiner Sehnsucht nach Heimat und Familie Ausdruck geben. Auf diese ungewöhnliche subjektive und märchenhafte Erzählweise muss man sich – vor allen in den ersten drei Episoden – einlassen. "Sam – Ein Sachse" – zeigt deutsch-deutsche Geschichte, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Nur schade, dass das bei einem internationalen Streamingdienst passiert und nicht im deutschen Fernsehen, wo ostdeutsche Perspektiven ohnehin oft zu kurz kommen.

"Sam – Ein Sachse" ist ab dem 26.04.2022 bei Disney+ streambar.

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