Jahresrückblick - Film

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Das Filmjahr 2017: Schwarze Filme gegen weiße Angstfantasien

2017 war ein aufregendes Kinojahr - von der fulminanten Panne bei der Oscar-Verleihung bis zur Enttarnung des Hollywood-Moguls Harvey Weinstein als Macho und Vergewaltiger. Dazwischen machte vor allem das schwarze Kino von sich reden.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Der politische Ton war von Anfang an gesetzt, als Moderator Jimmy Kimmel am 26. Februar 2017 nach ungefähr acht Minuten seiner Oscar-Moderation fragte, "Wisst ihr noch, letztes Jahr, als es die Oscars waren, die rassistisch waren?" Eine Anspielung auf die Tatsache, dass 2016 keine Afroamerikaner nominiert gewesen sind. Dieses Jahr waren es immerhin sieben.

Dann kam noch die von Kimmel angeregte Standing Ovation für Meryl Streep, die Donald Trump nach ihrer kämpferischen Rede bei den Golden Globes im Januar in einem Tweet als überschätzteste Schauspielerin Hollywoods bezeichnet hatte. Kimmel fragte noch, Meryl trage ja ein schönes Kleid, ob das aus einer der Kollektionen von Ivanka Trump sei? Fröhliches Johlen im Saal.

Dann gewann direkt im Anschluss Mahershala Ali als erster muslimischer Schauspieler den Oscar für die beste Nebenrolle, als Drogendealer in dem Coming-of-Age-Drama "Moonlight".

Der Verlierer stiehlt das Rampenlicht

Für den Rest des Abends spitzte sich der erwartete Zweikampf zu - zwischen einem eskapistischen, sehr weißen Musical und einem berührenden schwarzen Drama vom Erwachsenwerden. Die ersten vier Oscars in Nebenkategorien wie Kostüme, Make Up, Ton und Tonschnitt gingen an "La La Land". Ein Retro-Musical, sehr solide und klug gemacht, aber auch sehr konventionell, eher nostalgisch als politisch aufregend. Eigentlich konnte der Film von Damien Chazelle aber gar nicht groß gewinnen, weil er nicht zur Hollywood-Oppositionsstimmung gegen Donald Trump passte.

Trotzdem wurde "La La Land" am Ende als bester Film ausgerufen. Ein Fehler.

Es war ein falscher Umschlag, den Warren Beatty in der Hand hielt. Trubel. Chaos. Dann die Richtigstellung: "Moonlight" von Barry Jenkins war der Gewinner des Abends. In krisenhafter Zeit gewann kein leichtfüßiger Film ohne gesellschaftspolitisches Gewicht, sondern doch die berührende Geschichte über das Coming Outs eines schwarzen Drogendealers. Respekt!

Schwarze Filmemacher widersetzen sich weißen Angstfantasien

Das schwarze Kino war schon in den Wochen zuvor bei der Berlinale im Fokus gestanden. Dort lief der großartige Dokumentarfilm "I am Not Your Negro" von Raoul Peck über den schwarzen Bürgerrechtler und Autor James Baldwin. Immer noch gilt dessen Satz aus den siebziger Jahren: "Was in Amerika vor sich geht, ist für mich unannehmbar."

Die Filme afroamerikanischer Regisseure widersetzten sich 2017 den weißen Angstfantasien: Der Angst vor dem Terror. Vor der Überfremdung. Vor Ausländern und Flüchtlingen. Auch der wieder aufflammenden Angst vor dem - so das Klischee - gewaltbereiten schwarzen Mann. Dass in der Realität sehr viel mehr schwarze Menschen Gewaltopfer von Weißen werden als umgekehrt, ist eine Tatsache.

Das wies auch die Regisseurin Ava DuVernay in ihrer Oscar-nominierten Reportage "13th" nach. Sie zeigte, dass in den USA immer noch viele Schwarze unter den nie bewältigten Folgen der Sklaverei leiden, und seit der Präsidentschaft von Richard Nixon mehr und mehr kriminalisiert und inhaftiert wurden: Erschreckend ist der unfassbare Anstieg von Schwarzen in den US-Gefängnissen.

Für eine Veränderung des nach wie vor fast ausschließlich von Weißen bestimmten Alltags in den USA könne Donald Trump sogar hilfreich sein, meinte Yance Ford, ein weiterer schwarzer Regisseur - weil Trump eine ganz andere Dringlichkeit des Widerstands herausfordere, eben nicht nur innerhalb der schwarzen Bevölkerung. Man durfte also gespannt sein, wie sich die Aussage bewahrheiten würde.

Weiße Ängste drängen sich wieder in den Vordergrund

Doch dann schob sich ein anderes Thema unerwartet und plötzlich in den Vordergrund: Im Oktober begann der Skandal um Filmproduzent Harvey Weinstein. Die Schauspielerin Ashley Judd war eine der ersten Frauen, die den Produzenten der sexuellen Belästigung beschuldigte. Weinstein verlor zurecht seine Ämter und er wurde aus der Academy of Motion Picture Arts & Sciences ausgeschlossen.

Sexismus und die #MeToo-Debatte waren für den Rest des Jahres ganz vorn in der medialen Berichterstattung.

Das Hashtag und die Debatte erwiesen sich dabei als ein vor allem weißes Thema. Schwarze Statements gab es kaum. Dabei war die MeToo-Bewegung schon vor zehn Jahren durch die afroamerikanische Aktivistin Tarana Burke ins Leben gerufen worden - der Leiterin der New Yorker Organisation "Girls for Gender Equity", welche sich für die Rechte junger schwarzer Frauen engagiert.

Nun öffnet sich bald wieder die Oscar-Wundertüte - und man darf gespannt sein, ob und wie sich die Themen Rassismus und Sexismus vermischen.

Der große Oscar-Favorit "The Shape of Water" von Guillermo del Toro könnte eine neue Form der Diversität etablieren: Der Film, der beim Festival in Venedig schon den Goldenen Löwen gewann, wurde von einem Mexikaner gedreht und erzählt die Geschichte einer weißen sowie einer schwarzen Putzfrau in den konservativen 50ern. Die beiden retten ein bedrohtes Wassermonster aus den Fängen des amerikanischen Militärs. Was will man mehr?