Dass Schreiben Handwerk ist, Tagwerk, für das man sich morgens auf seinen Hosenboden setzen muss, fasst Ian McEwan in die Wendung „you have to hunker down“.
Ian McEwan: "It’s patience and luck, and turning up at your desk every morning, even when nothing is going on. You’ve got to turn up.”
Und gleich noch so ein Ratschlag des nunmehr 70-jährigen Bestseller-Autors, geäußert in der legendären BBC-Sendung „Desert Island Discs": Gerade als erfolgreicher, arrivierter Schriftsteller solltest du immer auf das kritische Urteil deiner Freunde setzen.
Ian McEwan: "Ich habe eine Clique von Freunden in Oxford. Denen gebe ich die fertigen Fahnen meiner Bücher und fordere sie auf, so brutal wie sie nur wollen über meine Manuskripte zu urteilen. Ich halte das für sehr nützlich, gerade für ältere renommierte Schriftsteller, deren Ruf gefestigt ist. Deren Verleger trauen sich nämlich oft nicht mehr, ihre Bedenken zu äußern, die sie hinsichtlich neuer Texte haben."
Mitglied der goldenen "Granta Generation"
McEwan, der Autor von Romanen wie „Abbitte“ und düster-grotesker früher Meisterwerke wie „Der Zementgarten“ ist ein Mitglied der sagenumwobenen „goldenen Generation“ der britischen Gegenwartsliteratur, die 1983 in ein und derselben Ausgabe des Granta Magazine auf den Plan trat und zu der neben ihm Julian Barnes, Martin Amis, William Boyd, Graham Swift, Salman Rushdie und der mit dem Nobelpreis geehrte Kazuo Ishiguro zählen. Und es ist ein großes Glück, dass er sich für die Schriftstellerei entschied als junger Mann, als er, um es mit einer Formulierung aus seinem nun auch verfilmten erzählerischen Kleinod "Am Strand" zu sagen, „in einer Art Vorzimmer des Daseins“ verharrte und "ungeduldig darauf" wartete, "dass das Leben endlich anfing". Aus einfachen Verhältnissen stammend - sein Vater war ein Soldat, der sich bis zum Major hochdiente,- besuchte Ian McEwan nach seiner Internatszeit eines der ersten Creative-Writing-Seminare überhaupt. Dort im Kurs von Malcolm Bradbury und Angus Wilson verpasste man ihm den Spitznamen "Ian MacAbre", weil seine brillanten Debüt-Erzählungen, die er in den Bänden "Erste Liebe, letzte Riten" und "Zwischen den Laken" versammelte, so dunkel-makaber daherkamen.
Ian McEwan: "Ich war damals ein verschlossener junger Mann, in dem sich manches aufgestaut hatte, das nach Entladung schrie. Als ich meine ersten Geschichten schrieb, hatte ich keine Vorstellung von meinen Lesern. Meine Lehrer Angus Wilson und Malcolm Bradbury erlegten mir keinerlei Beschränkungen auf. Niemand sagte mir damals: Was für eine schockierende Geschichte! Oder: Wie makaber, wie verrückt! Sie ermunterten mich, schreibend zu erkunden, was immer ich wollte, auch seltsamste Gefilde zu imaginieren."
Politische Einlassungen
In jüngerer Zeit schreibt Ian McEwan über politisch brisante Stoffe: Sein kluger Roman „Saturday“ behandelte die moralischen Dilemmata eines Londoner Neurochirurgen angesichts des Irak-Kriegs, „Solar“ drehte sich um den Klimawandel. Aber wie auch sein Gerichtsdrama „Kindeswohl“ sind dies nicht die stärksten Werke desjenigen, den es mit zunehmender Berühmtheit auf die öffentliche Bühne zog, um dort auch zu aktuellen Entwicklungen Stellung zu beziehen, etwa zum seiner Meinung nach fatalen Brexit-Votum.
Ian McEwan: “I don’t accept this near mystical, emotionally charged decision to leave the EU, I can't believe it and I reject it."
Irgendwer, vielleicht war es Kingsley Amis, habe mal gesagt, dass man keine zweihundert Wörter schreiben könne, ohne etwas von sich selbst preiszugeben, so Ian McEwan. An seinem heutigen 70. Geburtstag kann der Booker-Preisträger auf ein ungemein reichhaltiges Œuvre zurückblicken, das bei der enormen Produktivität und nicht nachlassenden Neugierde dieses Schriftstellers noch lange nicht abgeschlossen scheint.