Etwas korpulenter, aber nüchtern: Pete Doherty von The Libertines
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Pete Doherty

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Ausnahmsweise nüchtern: Das neue Album der Libertines

Sie waren die Bad Boys des Garage Rock, inklusive Drogen, Abstürzen, Eskapaden. Lange her ist das. Bei den Aufnahmen zum neuen Album "All Quiet On The Eastern Esplanade" blieb die Gruppe um Leadsänger Pete Doherty strikt nüchtern. Und das ist Glück!

In den 2000ern standen The Libertines für rauen, ruppigen Garagenrock. Und den haben die vier Musiker auch gelebt: Harte Drogen, Supermodels, Entzugsklinken, interne Streitigkeiten. Die kreativen Köpfe – Carl Barat und Pete Doherty – waren wie Nitro und Glyzerin.

Die Aufnahmesituation: Nüchtern in Jamaika

Nach neun Jahren Pause unternehmen sie einen weiteren Anlauf – zum ersten Mal nüchtern, wie Barat im Interview verrät. Regelrecht abstinent sei man währende der Aufnahmen gewesen. "Und es ist bemerkenswert, wie viel mehr Zeit man für wichtige Dinge hat und dass sich das Temperament mancher Leute leichter kontrollieren lässt. Das hat sich als nützlich erwiesen."

Darin mag auch ein Seitenhieb auf Bandkollege Pete Doherty liegen. Der nimmt seit der Geburt seiner Tochter 2021 keine Drogen mehr, ist körperlich merklich fülliger geworden, aber auch musikalisch anspruchsvoller.

Die elf Stücke auf "All Quiet On The Eastern Esplanade" warten nur selten mit dem ungeschliffenen Garagenrock der drei Vorgänger-Alben auf. Dafür mit opulentem Orchester-Pop, Folk- und Vaudeville-Elementen und nostalgischen Balladen. Dabei erinnern die Libertines an die Kinks um Mastermind Ray Davies. Ein Vergleich, der Doherty stolz macht. Davies sei einer "der besten Songwriter im Nachkriegs-England" gewesen, erklärt er und fügt hinzu: "vielleicht sogar der Welt".

Die Libertines präsentieren sich tiefgründig wie nie ...

Die zweite Überraschung: tiefgründige Texte. Da glänzen die Libertines mit Zitaten der Weltliteratur, verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sprechen sich gegen Ausländerhass, Rechtspopulisten und die Tory-Regierung aus und nehmen Abschied von Königin Elizabeth.

"Wir haben das Stück auf Jamaika geschrieben", erzählt Barat, "während eines Tropen-Sturms. Da haben wir uns beim Frühstück die Beerdigung der Queen im TV angeschaut und anschließend beim Gottesdient der lokalen Kirche mitgesungen. Ein unvergesslicher Moment."

... nehmen sich aber nicht übertrieben ernst

Der Höhepunkt dieses starken Comebacks ist jedoch "Songs They Never Play On The Radio": Eine Nummer in Beatles-Manier, die in eine Parodie umschlägt – und in Gelächter endet. Ein Indiz, dass die Mittvierziger sich und ihre Kunst nicht mehr ganz so ernst nehmen. Doherty vergleicht den Song mit einem Monty-Python-Sketch. "Und da ich die Pythons mag, hatte ich nichts dagegen, das mit aufs Album zu nehmen", kommentiert er ironisch.

Bleibt der Albumtitel – abgeleitet vom Kriegs-Drama "Im Westen Nichts Neues" von Erich Maria Remarque. In diesem Fall ist er eine Anspielung auf das bandeigene Hotel im englischen Badeort Margate: "The Albion Rooms". Sieben Zimmer mit Bar und Restaurant. An der Rezeption: Carl Barat höchstpersönlich. Erkannt werde er selten, erzählt er. Und es gebe laufend jemanden, der sich beschwere. "Ich tue mein Bestes, um den Laden am Laufen zu halten."

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