Bildrechte: Theater Basel

Kämpfen für die Eitelkeit?

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Ausbeutung ist Nervensache: "Das Recht des Stärkeren" in Basel

Auch die Schweiz lebt von der Dritten Welt: Autor Dominik Busch erzählt in seinem neuen Stück vom Konflikt zwischen Moral und Profit. Kolumbianische Bauern werden vertrieben, damit ein Energie-Multi freie Bahn hat. Nachtkritik von Christian Gampert.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Die Studentin Nadja, die einen Film über die Enteignung armer Bauern in Kolumbien zugunsten eines Steinkohle-Abbau-Konzerns dreht, ist völlig überzeugt von ihrer Mission: Den Entrechteten dieser Erde muss geholfen werden! Ob ihr Film dazu beitragen kann, ist zwar eher ungewiss - auf alle Fälle kann man anhand der Dritte-Welt-Problematik einen alten Familienkonflikt neu inszenieren. Nadjas Mutter ist nämlich – zufällig - Managerin des Schweizer Rohstoffunternehmens, das in Kolumbien die Bauern von ihrem Land vertreibt.

Kampf der Generationen

Diese beiden Stränge bindet der Autor Dominik Busch zu einem Stück zusammen, bei dem wir über unser Verhältnis zur Dritten Welt sehr viel, über den Kampf der Generationen eher wenig erfahren. Zu schematisch ist der Familienkonflikt geschrieben, zu schablonenhaft die Vorwürfe. Und dass Nadja, gespielt von der starken Lisa Stiegler, ihre Mutter in der Inszenierung von Felicitas Brucker ganz buchstäblich im Dreck herumzieht, macht die Sache auch nicht differenzierter.

Der Killer und sein neues Leben

Gefährlicher für Nadja sind ihre Interviews mit einem Angehörigen der kolumbianischen Paramilitärs, der bei einem Einsatz gegen umzugsunwillige Bauern die Nerven verlor und eine ganze Familie erschossen hat. Alvaro, der Killer, hat inzwischen ein neues Leben begonnen, aber er sagt vor der Kamera mutig aus, was er getan hat. Der Dramatiker Dominik Busch erzählt das in einer sehr wirksamen Performance-Dramaturgie aus lauter stark aufgeladenen Monologen, die ab und zu in kleine Szenen und Dialoge übergehen. Das Stück springt ständig zwischen Europa und Kolumbien hin und her, und in der Inszenierung von Felicitas Brucker werden viele Filme eingespielt – mit Szenen aus Bogotà und vom gigantomanisch wirkenden kolumbianischen Kohle-Abbau.

Klischeehafte Eseltreiber

Nadja, die Studentin, fährt zum Schneiden ihres Dokumentarfilms nach Hause und diskutiert mit ihrem Freund, welche Bilder die richtigen sind. Der Freund ist gegen klischeehafte Aufnahmen von Eseltreibern. Nadja dagegen will Aufnahmen eines Mannes, der ein Pferd schlägt, lieber weglassen, könnte ein schlechtes Licht auf die Armen werfen. Und Nadjas Mutter hält die Enteignung der Bauern zum Zweck der Energiegewinnung für okay; sie argumentiert mit Angebot und Nachfrage.

Grausamkeit der Paramilitärs

Erstaunlicherweise funktioniert Buschs Stück sehr gut, obgleich er seine Figuren relativ viel theoretisieren und diskutieren lässt. Aber die Szenen, die denen der Killer Alvaro seine Geschichte erzählt, holen uns mitten hinein in die kolumbianische Wirklichkeit. Steffen Höld spielt diesen Alvaro als verschlagenen Loser, der einmal mutig sein und der Welt von der Grausamkeit der Paramilitärs erzählen will. Als er merkt, dass er sich mit den Filmaufnahmen und – aussagen selber in Gefahr bringt, bittet er Nadja, die Aufnahmen zu löschen. Die tut das nicht – sie beutet mit ihrer Aufklärungskampagne ihre Zeugen aus, so wie ihre Mutter die kolumbianische Erde ausbeutet.

Am Ende ein psychisches Wrack

Wie kann man als Europäer von der Ungerechtigkeit der Welt erzählen? Dominik Busch stellt diese sehr komplizierte Frage. Er zeigt uns, dass auch die Wohlmeinenden in einem Zirkel aus Widersprüchen gefangen sind. Lisa Stiegler spielt die Dokumentarfilmerin und Studentin anfangs voller moralischer Selbstgewissheit; am Ende ist die Figur nur noch ein psychisches Wrack, denn sie hat ihren Kronzeugen ans Messer geliefert. Felicitas Brucker aber hat „das Recht des Stärkeren“ sehr effektsicher in Szene gesetzt: dieses politische Stück rührt uns wirklich an.

Wieder am 30. Januar und 9. Februar - sowie weitere Termine.