WM 2018 - Trainingslager Deutschland - Merkel

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WM in Russland: Wie politisch ist Fußball?

Der Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn sagte kürzlich, dass "Fußball immer politisch" sei. Die Aufregung um Özil und Gündogan gibt ihm Recht. Vor der WM in Russland stellt sich die Frage: Wie politisch ist Fußball? Von Niklas Schenk und Julio Segador

Es ist nur Fußball - und doch ist das Aufregerthema vor der Weltmeisterschaft hoch politisch: Die Nationalspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil hatten sich Mitte Mai mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ablichten lassen, Gündogan dabei sogar ein Trikot hochgehalten, auf dem er mit "Hochachtungsvoll, für meinen Präsidenten" unterschrieben hatte.

Die Empörung darüber hält an, obwohl Gündogan in Interviews beteuerte, er habe kein politisches Statement setzen wollen, und sich zu den deutschen Werten bekannte. Eines belegt der Gündogan-Gate exemplarisch: Wie politisch der Fußball sein kann und welche gesellschaftliche Macht, aber auch Verantwortung Fußballer haben. Am Sonntag schaltete sich in der ARD-Talkshow "Anne Will" sogar Kanzlerin Merkel persönlich ein. "Wir brauchen die jetzt alle, damit wir gut abschneiden. Sie gehören zur Nationalmannschaft und ich würde mich freuen, wenn mancher Fan auch klatschen könnte", so Merkel.

Die Kanzlerin und der Fußball

Merkel und der Fußball: Eine ganz besondere Geschichte. Immer wieder stattet die Kanzlerin den Fußballern einen Besuch ab. Bei den Turnieren, aber auch schon in den Trainingslagern, so wie dieses Jahr im Südtiroler Eppan. Inklusive bester Werbung durch Stars wie Sami Khedira, der betont, wie sehr er Merkel schätze, weil sie "menschlich und ehrlich" sei. Sie sei "nicht nur am Fußball, sondern an den Menschen interessiert", findet der Star von Juventus Turin. "Das beeindruckt uns, das inspiriert uns."

Und DFB-Präsident Reinhard Grindel, übrigens auch CDU-Mitglied, sagte, die Anwesenheit der Bundeskanzlerin sei eine Ehre, dass sie sich so viel Zeit nehme, zeige ihre Wertschätzung.

WM-Trikots der Fußballer müssen politisch neutral sein

Was das alles für die WM bedeutet? Dass es für die Spieler ein Leichtes wäre, gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen, zum Beispiel auch zu Menschenrechtsverletzungen im Gastgeber-Land Russland. Allerdings: Botschaften wie 2017 von Julian Draxler, der im Länderspiel gegen Dänemarkt eine Regenbogen-Kapitänsbinde am Trikot trug als Zeichen gegen Homophobie, sind bei der WM untersagt. So hat es die Fifa geregelt.

Deutsche Politiker mit Putin auf der Tribüne?

Bleibt die Frage, wie sich die Politiker zur WM in Fußball stellen. Sollen die Hochkaräter der deutschen Politik mit Vladimir Putin auf der Tribüne sitzen?

Die Frage stellte sich schon 2014 bei den Olympischen Winterspielen in Sotchi. Bundespräsident Gauck blieb der Veranstaltung fern. Wochen später, bei einem Empfang rechtfertigte sich das Staatsoberhaupt, seine Entscheidung habe nichts mit den Sportlern zu tun gehabt. Eine Haltung, die nicht jeder teilte. Gaucks Weigerung nach Sotchi zu reisen kritisierte der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber als "Symbolpolitik"

Liste der Vorwürfe gegen Russland ist lang

Die Frage des Boykotts steht bei der Fußball-WM in Russland erneut im Raum. Die Annexion der Krim, der Konflikt um die Ostukraine, Russlands Vorgehen in Syrien, der mutmaßliche Giftangriff auf Ex-Spion Skripal, Wahleinmischung, Cyberattacken - die Liste der groben Fouls, die Russland begangen haben soll, ist lang.

Kanzlerin Merkel windet sich. Ihr Sprecher lässt ausrichten, es gebe noch keinen Termin für einen möglichen WM-Besuch. Einzig der als Innenminister für den Sport zuständige Horst Seehofer kündigt an, nach Russland reisen zu wollen. Und hat die Unterstützung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Jedes Mal ein sportliches Großereignis wie eine Fußball-Weltmeisterschaft zu instrumentalisieren, das scheint mir auch nicht der richtige Weg zu sein, um mit schärfsten politischen Krisen und Konflikten umzugehen", so der Bundespräsident.