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Blick auf Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss 2013

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Was haben die NSU-Untersuchungsausschüsse gebracht?

Während sich die juristische Aufarbeitung in Sachen NSU langsam in Richtung Zielgerade bewegt, ist die Aufarbeitung der Pannen und Behördenfehler auf bundespolitischer Ebene längst beendet. Trotzdem sind noch Fragen offen. Von Arne Meyer-Fünffinger

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Am 23. Februar 2012 nimmt Deutschland in Berlin Abschied, im Rahmen einer zentralen Gedenkveranstaltung im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Die Spitzen des Staates sind da, viel wichtiger aber: Viele Angehörige der zehn Mordopfer, die dieser Staat in den vergangenen Jahren so tief enttäuscht und verletzt hat.

Als die letzten Klänge des Bach-Stückes verhallt sind, geht eine ganz in schwarz gekleidete Bundeskanzlerin ans, unter dem Arm eine schwarze Kladde. Darin liegt ihr Redemanuskript, das unter anderem ein Versprechen an die Angehörigen enthält.

"Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen." Angela Merkel auf der Gedenkveranstaltung für die Mordopfer rechter Gewalt.

Bundestag löst Merkels Versprechen mit akribischer Arbeit ein

Zu diesem Zeitpunkt hat der Deutsche Bundestag seinen Anteil an diesem Versprechen schon eingelöst. Fast vier Wochen zuvor haben die Parlamentarier einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, die Abgeordneten der folgenden Legislaturperiode werden es ebenso tun.

"Zwei Untersuchungsausschüsse, der Innenausschuss des Deutschen Bundestages, das Parlamentarische Kontrollgremium mit einem Sonderermittler, haben sich mit dem Fall NSU und Weiterungen befasst. Noch nie in der Geschichte des Deutschen Bundestages wurde ein Sachverhalt so gründlich, so aufwändig parlamentarisch untersucht wieder dieser Komplex, wie diese Verbrechensserie. Und es zeigt, wie wichtig uns diese Aufklärung auch war." Clemens Binninger (CDU), Mitglied des ersten und zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag

Ohne Zweifel: Bis heute ist die große Leistung der beiden Gremien, dass sie das Versagen von Polizei- und Ermittlungsbehörden seit dem ersten der dem NSU zugeschriebenen Morde im Jahr 2000 in Nürnberg schonungslos offengelegt haben.

Zeugen können oder wollen sich nicht erinnern

Vor den Ausschussmitgliedern sitzen über mehrere Jahre verteilt immer wieder bräsige Ex-Minister oder Polizeibeamte, die sich an nichts erinnern können oder wollen beziehungsweise jegliche Verantwortung von sich weisen. Behörden, die jahrelang auf Abschottung statt auf Kooperation setzten und sich außerdem vor allem darüber streiten, wer wann welche Kompetenzen hatte.

"Der Zeuge Jörg Ziercke hat darauf hingewiesen, dass das BKA […] lediglich einen Abstimmungsprozess aufseiten der Länder anstoßen könne, wobei die Abstimmung insbesondere der Generalstaatsanwaltschaften untereinander und die Prüfung eines staatsanwaltschaftlichen Sammelverfahrens wiederum allein den Ländern obliege." Zitat aus dem Abschlussbericht des ersten NSU-Untersuchungsausschusses, darin: Befragung von Ex-BKA-Chef Jörg Ziercke

Skandale wie "Operation Konfetti" werden bekannt

Hinzu kommt: Durch die Untersuchungsausschussarbeit kommen zahlreiche Skandale ans Licht. Für die größten Schlagzeilen sorgt sicherlich der schlampige Umgang mit Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz. Unmittelbar nach der Enttarnung der rechten Terrorzelle im November 2011 verschwinden in der Behörde wichtige Papiere, in denen es unter anderem um V-Leute in der rechten Szene geht.

Die Aktion bekommt den spöttischen Beinamen "Operation Konfetti" und sorgt dafür, dass der damalige Behördenchef Heinz Fromm, der sich als Zeuge im Untersuchungsausschuss ziemlich zerknittert gibt, unter anderem deswegen seinen Job verliert. Die SPD-Politikerin Eva Högl, die Mitglied in beiden Untersuchungsausschüssen war, sagte: "Offensichtlich ist aus Dilettantismus der Referatsleiter so weit gegangen, diese sensiblen Akten zu einem sensiblen Zeitpunkt zu vernichten. Ich gehe aber nicht davon aus, dass etwas vertuscht werden sollte."

Während der zweite NSU-Untersuchungsausschuss bis August 2017 häufig unterhalb der Wahrnehmungsschwelle tagt, legt der erste Untersuchungsausschuss im Sommer 2013 einen vielbeachteten Abschlussbericht mit 47 Kernforderungen auf den Tisch. Einige von ihnen setzt die Bundesregierung tatsächlich um, zum Beispiel eine bessere Kontrolle und Überwachung von V-Leuten. Strafermittlungsbehörden müssen außerdem seitdem bei vergleichbaren Taten in alle Richtungen und somit ohne Scheuklappen ermitteln.

Unwort "Dönermorde"

Dass die Mordserie anfangs von der Polizei den Stempel "Dönermorde" aufgedrückt bekommen hat, macht beschämend deutlich, warum das notwendig ist. Völlig zurecht aus Sicht der meisten wird der Begriff später zum "Unwort des Jahres 2011" ernannt.

Die vor allem nach Ansicht von Linke und Grünen dringend notwendige Reform des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern lässt im Gegensatz dazu weiter auf sich warten, kritisieren die beiden Oppositionsparteien. Und nicht zuletzt: Trotz jahrelanger akribischer Arbeit der Bundestagsabgeordneten stellen sich selbst die Mitglieder des Ausschusses bis heute noch Fragen. So wie die Linken-Politikerin Petra Pau, die in beiden Untersuchungsausschüssen saß: "War das Nazitrio wirklich unerkannt durch die Lande gezogen? Und wenn nein – wer wusste wann was?"

Und auch SPD-Politikerin Högl findet: "So ganz restlos aufgeklärt wird die Geschichte des NSU noch lange nicht sein. Und was mich vor allem beschäftigt: Hatte der NSU nicht noch mehr Unterstützer und Unterstützerinnen? Und wie breit ist das rechtsterroristische Netzwerk in Deutschland?"